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Randbemerkungen eines bemühten Christen

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Randbemerkungen eines bemühten Christen

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Randbemerkungen eines bemühten Christen

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D as Thema Kirche und Geld war und ist ein heißes Ei­sen. Warum, weiß ich eigent­lich nicht, ich kann es nur ver­muten. Schon das Neue Testa­ment beschäftigt sich mit dem Problem „Besitz, Reichtum“ auffallend oft. Auf dem Weg zum Heil ist Geld oder gar Reichtum anscheinend ein ent­scheidender Prüfstein, wenn nicht gar ein Hindernis.

Wenn das für jeden einzel­nen von uns gilt, dann sicher auch für das Volk Gottes, seine Gemeinde, die „Kirche“. Ich betrachte es daher doch als Se­gen für die gegenwärtige Kir­che in Österreich, daß ihr das in vielen Jahrhunderten ange­sammelte Vermögen in den letzten zwei Jahrhunderten mehr oder weniger wieder ge­nommen worden ist.

Zu groß ist die Versuchung für den Besitzenden, seinen Be­sitz nach Kräften zu nutzen und daher Macht auszuüben. Ich möchte aber nicht den Ein­druck erwecken, daß die ka­tholische Kirche in Österreich eine arme Kirche ist; eine „be­sitzende“ oder sogar reiche Kirche ist sie aber sicher nicht, und das ist auch besser so.

Eine in diesem Jahr erschei­nende Dokumentation, verfaßt

von W. Pradel, herausgegeben von der Finanzkammer der Erzdiözese Wien, wird sich mit den verschiedenen Finanzie­rungsarten der einzelnen Lan­deskirchen in aller Welt befas­sen. Schon in der Phase der Dokumentensammlung zeich­net sich ab: Die Besitzverhält­nisse und damit die Finanzie­rungsformen der einzelnen Landeskirchen bauen fast überall auf historischen und gesellschaftlichen Entwicklun­gen auf.

Fast nirgends stößt man auf die bewußte Entscheidung ei­ner „Kirche“ aus diesem oder

jenem Grund, oder vielleicht gar aus bewußt christlicher Überlegung, eine bestimmte Finanzierungsform zu wählen.

Ich bin nicht sicher, ob man das kurzerhand als weiteres trauriges Zeichen der man­gelnden Ernsthaftigkeit, wirk­lich in Christusnachfolge leben zu wollen, abkanzeln soll. Ich halte es eher Tür ein Zeichen überall sichtbarer menschli­cher Schwäche, vielleicht so­gar der Unmöglichkeit, wahre Christusnachfolge vollziehen zu können.

Persönlich glaube ich, daß wir Christen in Österreich ein

viel zu verkrampftes Verhält­nis zu Geld und Besitz haben. Wir sollten es nutzen, verwen­den, für andere, für uns, und nicht daran hängen. Ein über­aus positives Beispiel dafür ist die beachtliche und zuneh­mende Hilfsbereitschaft der Österreicher im Zusammen­hang mit den letzten großen Katastrophen in der Welt.

Ein negatives Beispiel dafür ist die mangelnde Bereitschaft vieler Katholiken, speziell im Wiener Bereich, für ihre Kir­che, ihre eigene Gemeinde, ei­nen Beitrag, den Kirchenbei­trag, zu leisten. Begründungen

oder vielmehr Ausreden, wie: ... „Leider kann ich meinen Kirchenbeitrag nicht (oder nicht ganz) bezahlen, weil ich für meinen Hausbau schon mehr als eine Million aufwen­den mußte“,... lassen mich zwischen Staunen und Ver­zweiflung schwanken.

Der Kirchenbeitrag ist eines der „schlampigen“ urösterrei­chischen Provisorien, diesmal im kirchlichen Bereich. 1939 aus ganz anderen Motiven ein­geführt, ist er heute die tra­gende Säule der kirchlichen Fi­nanzierung in Österreich.

Zwischen Volkskirche und Gemeindekirche gilt es zu wäh­len. Zumindest auf finanziel­lem Gebiet gibt es kaum einen Mittelweg. Volkskirche heißt Globalfinanzierung (Staatsfi­nanzierung, Kirchensteuer), und nur Gemeindekirche (Dia­sporakirche) kann mit freiwil­ligen Beiträgen (Spenden) ihr Auslangen finden. Ausnahmen wie Polen und Irland bestäti­gen die Regel. Vielleicht ist auch fehlender Wohlstand eine Voraussetzung für ein größe­res Zugehörigkeitsgefühl und mehr Gemeindedenken.

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