7050266-1990_49_11.jpg
Digital In Arbeit

Recht auf Aussicht

Werbung
Werbung
Werbung

Ist der klare Blick auf den Grand Canyon ein Grundrecht jedes Amerikaners? Er ist eines: Weitrei-chende Änderungen zum amerika-nischen Luftreinhaltegesetz (Clean Air Act Amendments of 1990) wur-den am 15. November von Präsident George Bush unterzeichnet. Nach 16 Monaten Streit zwischen Industrie-Lobbyisten und umwelt-bewußteren Politikern.

Der gesamte Schwefeldioxidaus-stoß soll von derzeit 21 auf elf Mil-lionen Tonnen pro Jahr vermindert werden. Allerdings wird dies erst ab 1995 zur zwingenden Vorschrift für die Industrie und läßt ihr dann fünf Jahre Zeit zur Durchführung.

Jetzt schon werden jährlich 90 Milliarden Dollar für Luftreinhal-tung aufgewendet. Dieser Betrag wird bis zum Jahr 2000 um etwa 30 weitere Milliarden steigen. Trotzdem wird es lange dauern, bis die Amerikaner wieder gesündere Luft atmen können.

Auto- und Erdölin-dustrie betreffende Bestimmungen wur-den hinausgeschoben. Stark verschmutzte Städte wie Washing-ton werden neun Jah-re, noch stärker be-troffene Regionen wie Chicago wahrschein-lich 15 bis 17 Jahre brauchen, um die ge-forderten Standards zu erreichen.

Voraus ging dem Gesetz eine zehnjährige Studie. Das "National Acid Preci-pitation Program (NAPAP - nationales Programm zur Bewertung von sauren Niederschlägen) bezog technische und ökonomische Faktoren in die Betrachtung ein, um gegenseitige Abhängigkeiten zu untersuchen. Das direkt dem Präsidenten unterstellte Projekt lieferte 24 Szenarien. Sie zeigten verschiedene Handlungsmöglichkeiten und ihre Auswirkun-gen.

Eine Direktorin der NAPAP, Pa-tricia M. Irving, war auf Einladung der Universität für Bodenkultur und der Österreichischen Gesellschaft für Natur- und Umweltschutz in Wien. Sie meint, daß nur zusammengefaßte und aufbereitete naturwissenschaftliche Ergebnisse für Politiker verständlich seien. Ebenso wichtig sei eine Gesamt-schau der schädigenden Stoffe und ihrer Auswirkungen, ein Heraus-greifen des Ozons etwa liefere nur einseitige Ansätze.

In 850 Seiten Gesetzestext werden Grenzen für unterschiedliche Schadstoffe festgelegt. Schwefel-dioxid wird früher reduziert als karzinogene Stoffe. Die Vorschrif-ten differieren von Konzern zu Konzern, von Region zu Region. Große Unternehmen müssen die Emissionsgrenzen insgesamt errei-chen, eine "ungiftigere" Fabrika-tionsstätte kann gegen eine mit höherem Giftausstoß aufgerechnet werden.

Mit Inkrafttreten der Bestimmun-gen soll ein neues Projekt gestartet werden: Die Beobachtung der Reak-tionen der Umwelt; dabei soll vor allem auf ein Erkennen der Abhän-gigkeiten zwischen Umwelt, Tech-nik und Wirtschaft geachtet werden. Es sei, so Irving, unumgänglich, über die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Ökonomen den Wert natürlicher Ressourcen neu zu bestimmen.

Einer Sumpflandschaft wird wirtschaftlich ein niedriger Wert zuerkannt, umwelttechnisch hat sie dank ihrer Funktion als Grundwas-serspeicher und Filter einen hohen. Es müsse eine Synthese von Um-welt- und Verkehrswert gefunden werden. Irving nennt das "Envi-ronmental Economics", Umwelt-ökonomie.

Ansätze, die in langfristigen For-schungsprojekten erarbeitet werden müssen. Dies sei gerade im Um-weltbereich unumgänglich, betonte Irving. In den letzten zehn Jahren ließen die USA Umweltstudien für sieben Milliarden Schilling er-stellen. Österreich gab im Ver-gleichszeitraum mit 60 Millionen Schilling nicht einmal ein Drittel pro Kopf, aber mehr als das Zehn-fache pro Quadratmeter Staatsge-biet aus.

Dabei ist die Umweltbelastung in Europa ein ungleich schwerwie-genderes Problem. Dichtere Besie-delung und Industrialisierung füh-ren zu einer weitaus größeren Schadstoffbelastung der Flächen. Projekte, die zusammenhängende Auswirkungen der verschiedenen Schadstoffeinflüsse auch nur an-nähernd beschreiben, brauchen Jahre und entsprechende Finan-zierung.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung