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Reform in der Schublade
Vergangene Woche erinnerte die sozialistische Mietervereinigung daran, daß ein wichtiges Gesetz noch der von Justizminister Christian Broda versprochenen Reform harrt, nämlich das Mietengesetz. Seit Brodas Sekretär Heinrich Keller vom Palais Trautson auf den Künigl-berg wechselte, hat man von dem bereits vorhandenen Entwurf für eine Reform des Mietengesetzes nichts mehr gehört.
So berechtigt die „Erinnerung“ der Mietervereinigung ist, so unwahrscheinlich ist es leider auch, daß sie von der Regierung noch vor den kommenden Nationalratswahlen aufgegriffen wird: Eine
sachliche und zeitgemäße Reform des unübersichtlichen und ungerechten Mietengesetzes kann der Regierungspartei nur Stimmen kosten, weil sie den Abschied von der Fiktion bedeuten müßte, daß man beim Wohnen durch die Ausschaltung des Marktmechanismus auf Dauer den Preis drücken kann.
Die jahrzehntelange Knebelung des Wohnungsmarktes mit ideologischen Argumenten („Wohnung ist keine Ware“) hat in Österreich zu kriminellen Praktiken,
schwarzen Ablösen und zu einem qualitativen Wohnungsmangel sondergleichen geführt: Nach einer Erhebung des Statistischen Zentralamtes verfügten im März 1976 nur 32 Prozent der 2,598.000 bewohnten Wohnungen über Bad und Zentralheizung, dafür aber hatten noch zwölf Prozent kein innenliegendes WC und sieben Prozent nicht einmal Wasser.
Österreich hat außerdem von allen OECD-Ländern die kleinsten Wohnungen: Sieben Prozent aller österreichischen Wohnungen haben nur einen Wohnraum, mehr als ein Fünftel bestehen aus nur zwei Zimmern.
Die teilweise Freigabe der Mieten (für Standardwohnungen bei Neuvermietung) vor einigen Jahren führte dann schließlich zu teilweise exorbitanten Preisen und extremen Ungerechtigkeiten: Die Hausbesitzer wollten bei den '* wenigen Neuvermietungen jahrelang Vorenthaltenes möglichst schnell nachholen. Mit dem Ergebnis, daß zeitgemäße Wohnqualität in Wien beispielsweise teurer als in deutschen Großstädten ist.
Ein Einbremsen des Zinses bei Neuvermietungen wird nur möglich sein, wenn künftig auch - und darum ist eine Reform vor den Wahlen so unwahrscheinlich - die Altmieter für die Erhaltung des Hauses und die Verzinsung des eingesetzten Kapitals stärker zur Kasse gebeten werden.
Ob eine amtlich geregelte, nach Größe, Lage und Ausstattung gestaffelte Miete, wie sie der schubladierte Entwurf des Justizministers vorsieht, die Lösung sein kann, bezweifle ich. Sie würde vermutlich ebenso wie die bis 1969 in Kraft gewesene absolute Friedenskronenregelung (ein Schilling pro Quadratmeter) zu schwarzen Ablösen führen, die Wohnmobilität behindern und den Preis fürs Wohnen wieder nur auf dem Papier niedrig halten ...
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