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Wo bleibt ein mutiges Wohnrecht?

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Das derzeitige Ringen von SPÖ und ÖVP um ein neues Bundes-wohnrecht ist in Wahrheit die Anstrengung nicht wert. Wie immer der Kompromiß ausschauen wird - es wird sich schon sehr bald zeigen, daß das neue Wohnrecht die Hoffnungen der Wohnungssuchenden - mehr und billigere Wohnungen angeboten zu bekommen - nicht erfüllen kann. Nicht mehr gerungen wird von den Verhandlern nämlich um den entscheidenden Konstruktionsfehler: Daß die Altmieten nicht wirklich angetastet werden. Und darüber sind sich SPÖ und ÖVP seit langem einig.

So politisch verständlich das auch sein mag: Ohne Heranführen der Altmieten („Friedenszinse”) an das Marktpreisniveau, oder wenigstens an die für die Erhaltung des Hauses notwendigen Quadratmeterkosten in einem überschaubaren Zeitraum wird das Angebot an Altwohnungen nicht steigen. (Derzeit wechseln nur etwas mehr als 2.000 Altwohnungen pro Jahr ihren Besitzer!)

Wie der Wirtschaftspublizist Horst Knapp wiederholt nachgewiesen hat, dürfte die Wohnungsnot eigentlich nicht steigen: Trotz der Tendenz zu Single-Haushalten ist in den letzten Jahrzehnten die Zahl der Wohnungen schneller als die Zahl der Haushalte gestiegen. Es gibt also offenkundig weniger einen Fehlbestand als eine Fehlbelegung. Aufgrund der lächerlichen Kosten von Friedenszinswohnungen werden diese über Jahrzehnte als Zweitwohnsitz oder als spätere Wohnung für die Kinder gehortet. Und daran wird sich klarerweise durch eine Begrenzung der Mieten bei Neuvermietungen nichts ändern.

Das Leugnen der Kostenwahrheit bei Altmieten ist auch der Grund für ein anderes Paradoxon: Als Begründung für staatlich verordnete Mietobergrenzen wird immer wieder ins Treffen geführt, daß es nicht angehe, daß junge Familien 50 Prozent und mehr ihres Einkommens für die Miete aufwenden müssen. Da im Durchschnitt die Österreicher laut Statistischem Zentralamt aber nur rund 17 Prozent ihres Einkommens für die Miete ausgeben - und damit bestenfalls im europäischen Mittelfeld liegen -, kann man sich unschwer ausrechnen, wie wenig die Beati possidentes für ihre Friedenszinswohnungen ausgeben. Daß die glücklichen Besitzer der Billigwohnungen dann meist auch noch die Einkommensstärkeren, weil bereits beruflich Arrivierten sind, macht die Sache noch problematischer.

Ein zielführendes, mutiges neues Wohnrecht müßte sich daher auf folgende Punkte beschränken:

□ Radikale Bekämpfung jeglichen Mißbrauchs von Wohnungsbesitz und der Umgehung der notwendigen Schutzbestimmungen (Kündigungsschutz et cetera) für den Mieter.

□ Möglichkeit für den Mieter, die Angemessenheit der Miete von einem unabhängigen Richter überprüfen und gegebenenfalls herabsetzen zu lassen.

□ Anhebung der Friedenskronenzinse in einem ersten Schritt auf die für die Erhaltung des Hauses notwendigen Quadratmeterkosten; in weiteren - kleinen -Schritten Heranführen der Mieten auf zumindest zwei Drittel des Marktniveaus bei gleichzeitiger Anhebung der Subjektförderung (Mietzinsbeihilfen).

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