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Spanien und Europa

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Auf Machtteilung, nicht aufi Machtübergabe waren die Sandinisten eingestellt. Nach dem Oppositionser­folg bei den Wahlen in Nika­ragua stehen die Signale eher auf Konfrontation.

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Auf Machtteilung, nicht aufi Machtübergabe waren die Sandinisten eingestellt. Nach dem Oppositionser­folg bei den Wahlen in Nika­ragua stehen die Signale eher auf Konfrontation.

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Was denken die Spanier von Europa, vom europäischen Haus? Durch die in der Regel feh­lende Auslandserfahrung sind sie auf vermittelte Realität angewie­sen; man informiert sich aus den Medien. Diese wiederum zitieren in vermehrtem Maße EG-Quellen oder -Statistiken. So dringt die weit verbreitete Medien-Diktion „Euro­pa" statt „EG-Europa" ins Denken der Spanier ein und prägt ihre Europa-Sicht.

Das Aufgeben von glassturzarti­gen Schutzbestimmungen für die spanische Wirtschaft mit dem EG-Beitritt - Stichwort: Zölle - blieb von den Konsumenten nicht unbe-dankt. Die ausgebrochene Kauf wut auf dem 40-Millionen-Markt be­scherte nicht nur Gewinnzuwächse in den anderen EG-Mitgliedstaa­ten, sondern auch ein (weiterhin) explodierendes Außenhandelsdefi­zit in Spanien selbst.

Die unübersehbare Aufbruchs­stimmung in der spanischen Wirt­schaft geht allerdings nicht mit einem besseren Wissen über andere Staaten der Europäischen Gemein­schaft einher. Das hat nicht zuletzt zeitgeschichtliche Ursachen. In dem gut einen Jahrzehnt spanischer Demokratie konnte die j ahrzehnte-lang unter General Franco einge­übte Abkapselung vom Rest der Welt noch nicht völlig überwunden werden. Die Angst des Diktators vor der „Invasion der Europäer" ging soweit, daß er den spanischen Bahnen eine eigene Spurbreite verpaßte. Zumindest auf den wich­tigsten Strecken soll diese bis zum Jahr 2000 durch die europäische ersetzt werden.

Neben der historischen Erziehung zum Mißtrauen gegenüber dem Ausland scheitern intensivere Kontakte bei den meisten Spaniern am Fehlen von Fremdsprachen­kenntnissen. Gerade diese werden aber von den exportinteressierten spanischen Unternehmen in star­kem Maß gefordert. Das öffentliche Bildungssystem hat bisher auf die­sen massiven Bedarf nur ungenü­gend reagiert.

Was das restliche Europa außer­halb der Europäischen Gemein­schaft anbelangt, so haben die Spanier noch weniger Beziehung dazu. Die Blockfreien und Neutra­len scheinen nicht zu Europa zu gehören. Das blockfreie Jugosla­wien wird vom staatlichen Fernse­hen TVE in Nachrichtensendungen zusammen mit Albanien sogar dem Ostblock zugezählt. Nur langsam kristallisieren sich im Bewußtsein der Spanier Unterschiede zwi­schen den Staaten des europäischen Ostens heraus. Auch das wurzelt in der Propaganda der Franco-Diktatur, die nur ein amorphes „Reich des Bösen" sah.

Zu dem allmählichen gegenseiti­gen Kennenlernen der Völker Eu­ropas, zum Trend des Abbaus von Grenzen und Mauern zeichnet sich eine Gegenströmung ab. Parallel zur Auflehnung diverser Völker in der Sowjetunion beziehungsweise in Rumänien gegen menschen-rechts- und minderheitenfeindliche undemokratische Zentralregierun­gen erhielten die iberischen ethni­schen und regionalen Minderhei­ten Auftrieb.

Die spanische Verfassung von 1978 gesteht zwar gewissen Regio­nen den Autonomie-Status zu, auch das spanische Wahlrecht ist für regionale Minderheiten maßge­schneidert: Die kanarischen Natio­nalisten beispielsweise konnten bei den letzten Parlamentswahlen im vergangenen Oktober mit landes­weit nur 0,32 Prozent der Stimmen einen Parlamentssitz erreichen.

Aber ähnlich wie im Baltikum und im Kaukasus strebt auch im Baskenland die Separatistenbewe­gung eine Veränderung des Status quo an. Selbstbestimmung heißt die lange als Wunsch gehegte Forde­rung. Die katalanischen Nationali­sten haben als erste dieses Recht im Regionalparlament eingefordert, allerdings einem Angriff auf die spanische Verfassung und Einheit abgeschworen, somit nur verbales Muskelspiel Richtung Madrid be­trieben.

Die in Katalonien regierende nationalistische Koalition CiU -landesweit die drittgrößte Parla­mentsgruppe-hält das 1979in einer Volksabstimmung mehrheitlich angenommene Autonomie-Statut für ungenügend. Beim Referendum über das baskische Autonomiesta­tut kam es im selben Jahr zu einem fast identischen Ergebnis: neunzig Prozent der Stimmen dafür bei nur sechzig Prozent Wahlbeteiligung.

Dennoch proben die baskischen Nationalisten elf Jahre danach den Aufstand: Im Regionalparlament beschlossen Mitte Februar drei der vier regionalistischen Gruppierun­gen das baskische Recht auf politi­sche, wirtschaftliche, kulturelle und soziale Selbstbestimmung. Die mit Mehrheit angenommene Resolution fertigt das Autonomie-Statut als dem damaligen Zeitpunkt gemäß ab und fordert dessen „Weiterent­wicklung". Der einzig legitime Volksvertreter sei das baskische Parlament.

Der Moment war günstig für den katalanischen Listenführer Jordi Pujol (CiU). Seine Fraktion hatte den Selbstbestimmungs-Stein ins Rollen gebracht, um sich am Ende als Spanien-Treuer zu erweisen. Pujol zog genau am Tag des Bas­ken-Beschlusses zurück: Katalo­nien wolle nicht die Selbstbestim­mung, sondern nur ein höheres Maß an Autonomie.

Mit eigenem Muskelspiel und dem baskischen Bösewicht wollen die Katalanen offensichtlich ein neues Gesetz über die Finanzförderung ihrer Autonomie erreichen. Jene des Baskenlandes ist seit Jahren groß­zügiger.

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