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Spuk mit alten Idealen

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„Essentielle Wurzel und Hauptteil der Bewegung“ nannte der spanische Einheitsbewegungsminister, Fernandez Miranda, die Falange anläßlich eines feierlichen Aktes zum Gedenken an die 37. Wiederkehr der Fusionierung von Falange und JONS (nationalsyndikalistische Angriffsgruppen) in Valladolid. Aus diesen Worten und der Tatsache, daß zum erstenmal nach dreizehn Jahren ein Minister diesem Akt präsidierte, erkennt man eine Aufwertung der Falange, die erst vor einem Jahr offiziell totgesagt worden war, sich aber nicht in dieses Geschick fügen wollte.

Seit den fünfziger Jahren begann mit dem Einzug der Technokraten in die Regierung ein Machtkampf zwischen diesen und der Falange, in dem letztere unterlag. Die Falange, die die Ahnfrau der Einheitsbewegung ist, erhielt eine entsprechende thea tralische Rolle: Sie spukte hin und wieder durch Spaniens politisches Geschehen und versuchte ziemlich mißglückte Auftritte, wie im vergangenen Jahr in Alicante, wo eine falangistische Manifestation vor dem Gefängnis, in dem ihr Gründer, José Antonio Primo de Rivera hingerichtet worden war, wegen des starken Polizeiaufgebots scheiterte.

Erst die Folgen des Burgos-Prozes- ses verschafften der Falange wieder eine tragende Rolle: Sie entfachte den patriotischen Eifer der Massen in den Manifestationen. Sie stieß in die ideologische Leere vor und versuchte, sich ihren Platz auf der politischen Bühne zurückzuerobern. Mit ihrem alten Geist und ihren alten Idealen, von denen viele Falangisten behaupten, daß sie von Regime und Einheitsbewegung „verraten“ worden sind.

Der aus dem Bürgerkrieg hervorgegangene spanische Staat hat von allem Anfang an das falangistische Gedanken-gut nur rein äußerlich assimiliert. Es war eine Notwendigkeit, die sich aus der Lehre ergeben hatte, die die Militärs aus dem Scheitern der Diktatur Primo de Riveras wegen des Fehlens einer inspirierenden Ideologie gezogen hatten.

Bereits vor Bürgerkriegsende zeichnete sich klar ab, daß Franco und die Militärs nie im Sinn gehabt hatten, die 26 Punkte der Falange in die Praxis zu übertragen, da sie ihren Zweck erfüllt hatte: Dem Volk und der Welt konnte eine Ideologie geboten werden, der junge, revolutionäre Teil des Volks war zufriedengestellt und vor allem war es gelungen, eine Rechtsrevolte mit der revolutionären Ideologie der Falange zu maskieren. Hinzu kommt, daß

Franco während des zweiten Weltkriegs schnell erkannte, daß die Achsenmächte den Demokratien unterliegen würden und daher im künftigen sozial-politischen Rahmen der Welt eine durch Nationalsozialismus und Faschismus beeinflußte Ideologie fehl am Platz sein würde.

Daher übernahm Franco von der Falange nur die äußerlichen Zeichen und diejenigen konkreten Punkte, die ihn interessierten, wie die vertikale Einheitsgewerkschaft und das Parteienverbot. Die Falangisten selbst erhielten Posten, die mehr emotionelle als politische Bedeutung hatten, bis sie schließlich von den Technokraten verdrängt wurden. Dies wurde ihm dadurch erleichtert, daß das Gedankengut José Antonios nicht tief eingedrungen war und die Falange nur über wenige gut durch- gebildete Führer verfügte.

Heute tritt die Falange in Spaniens’ politischem Theater nur noch auf der Bühne des Nationalrats der Einheitsbewegung auf, der zu achtzig Prozent aus der Falange entstammenden Persönlichkeiten zusammengesetzt ist, wie die Schwester des Fa- langegründers, Pilar Primo de Rivera, Raimundo Fernandez Cuesta, José Luis de Arrese, Jesus Fuyeo usw., sowie Exminister Manuel Fraga Iribame, den seiner eigenen Ansicht nach sein Eifer den Ministersessel gekostet hat.

Heute ist Fraga Iribame einer der rührigsten, fast liberal zu nennenden Politiker, der seinen ganzen Einfluß zur Mobilisierung derjenigen Kräfte verwendet, die das Assoziationsgesetz aus der Versenkung geholt haben und es soweit voramge- trieben haben, daß mit seiner baldigen Vorlage im Parlament zu rechnen ist. Im Rahmen eines derartigen Gesetzes könnte die Falange wieder zum Leben erwachen: es wäre dann aber keinesfalls die Falange der Gründerzeit und des Sturms und Drangs, da das Assoziationsgesetz — falls es durchkommt — nur unpolitische Vereinigungen zuläßt und eine entpolitisierte Falange kaum durchführbar ist.

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