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Städte sanft erneuern

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Zu Beginn der achtziger Jahre startete der Europarat eine Kampagne für Stadterneuerung. Uber Ergebnisse einer österreichischen Studie zu dem Thema der folgende Bericht.

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Zu Beginn der achtziger Jahre startete der Europarat eine Kampagne für Stadterneuerung. Uber Ergebnisse einer österreichischen Studie zu dem Thema der folgende Bericht.

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Wohnungsverbesserung,

„Stadtreparatur“, Verbesserung der Wohnumwelt sind heute häufig gebrauchte Schlagworte in politischen Programmen und Stadtentwicklungskonzepten. Sie haben damit Begriffe, wie Assanierung, Flächensanierung und Denkmalschutz, teilweise abgelöst und drücken neue Erkenntnisse und Einsichten zu der alle Städte berührenden Frage ihrer Erneuerung aus. In der Tat hat sich heute in Österreich ein neues Verständnis von Stadterneuerung weitgehend durchgesetzt: Ziel ist die generelle Verbesserung der Lebensbedingungen in den Städten; dabei geht es nicht nur um die Beseitigung von Sub- standardwohnungen oder den Schutz historisch wertvoller Bausubstanz, sondern um die Erhaltung funktionsfähiger Gebäude, um die Verbesserung der demo-

grafischen, kulturellen und wirtschaftlichen Basis in den einzelnen Stadtteilen.

Es wurde auch erkannt, daß der physische Erneuerungsprozeß in einem engen Zusammenhang mit den sozialen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Entwicklung eines Stadtteiles steht. Somit geht es bei der Stadterneuerung auch um die Aktivierung der Bewohner, um die Verbesserung ihrer sozialen Lage, um die Berücksichtigung ihrer dringenden Lebensinteressen — z. B. weitgehende Erhaltung ihrer gewohnten Umgebung, finanzielle Erschwinglichkeit — gegenüber technokratischen Ordnungsvorstellungen und technischen oder politischen Erfordernissen.

„Sanfte“ Stadterneuerung bedeutet eine Absage an radikale „Erneuerungsstrategien“, die sich im Abreißen bestehender Substanz und einer teuren Neubebauung und Verdichtung erschöpfen und die Hinwendung zu einer bestandsschonenden, die Bevölkerung einbeziehenden schrittweisen Verbesserung und Erneuerung. Diese „sanfte“ Erneuerungsstrategie entspricht nicht nur besser den Interessen der Bewohner der Erneuerungsgebiete, sondern ist auch für die öffentliche Hand mit wesentlich geringeren Kosten verbunden.

In dicht bebauten Gebieten, vor allem in den großen Städten, kommt es zu einer Häufung von Mängeln, die eine Erneuerung besonders dringlich erscheinen lassen, sie aber auch vielfach schwieriger machen. Kleine, mangelhaft ausgestattete und überbelegte Wohnungen, in denen sozial schwache und mehrheitlich alte Menschen leben, schlechter Bauzustand der Häuser und vielfach schlechte Umweltbedingungen (keine oder nur wenige Grünflächen, hohe Lärmbelastung).

Kapitalschwache Klein- und Mittelbetriebe mit geringen Expansionschancen, Mängel in der Infrastrukturausstattung, zersplitterte Grundbesitzverhältnisse sind weitere Kennzeichen solcher Gebiete, die als Vorstufen von Slums gelten können. Wegen der Überlagerung der Probleme kommt es zu Wechselwirkungen, so daß mit isolierten Einzelmaßnahmen die Verfallstendenzen nicht bekämpft werden können. Es ist eine große Zahl von Erneuerungsmaßnahmen und ihre gebietsweise Koordinierung notwendig.

Vielfach braucht man auch deshalb ein gebietsweises Vorgehen, weil bestimmte Maßnahmen im Rahmen einer einzelnen Liegenschaft nur schwer durchgeführt werden können. Dies gilt z. B. für die Verbesserung der Bebauungsstruktur (durch Verringerung der Bebauungsdichte, Begrünung bzw. Zusammenlegung von Innenhöfen), für die kleinräumige Umsiedlung von Gewerbebetrieben, die Anlage von Erholungsflächen, die Schaffung von Wohnstraßen und Autoabstelleinrich-

tungen. Dabei treten die Interessensgegensätze von Bewohnern und den verschiedenen Liegenschaftseigentümern als besonderes Hemmnis der Erneuerung auf.

Bei den gebietsumfassenden Erneuerungsvorhaben in Wien (z. B. Ottakring, Gumpendorf, Wilhelmsdorf) sowie in den kleineren Städten (z. B. Braunau) wurden schon viele Erfolge erzielt, wie eine größere Zahl sozialorientierter Haussanierungen oder die Errichtung von Grünflächen und Wohnstraßen beweisen, aber auch zukunftsweisende Strategien entwickelt.

Die bisherigen Erfahrungen mit integrierten Gebietserneuerungen haben deutlich gezeigt, daß die Instrumente der Stadterneuerung verbesserungsbedürftig sind. Es gibt zwar eine große Anzahl von Förderungen und Verfahrensregelungen für die Stadterneuerung, doch sind diese den Betroffenen in erneuerungsbedürftigen Gebieten entweder zu wenig bekannt oder sie sind in ihrer praktischen Handhabung zu kompliziert. So gibt es z. B. allein für die Althaussanierung derzeit in Wien 25 einzelne Finanzie- rungs- und Förderungsarten.

Hinsichtlich der zentralen Frage der Finanzierung der Stadter- neuerung.jnuß auch gesagt werden, daß trotz aller politischen Bekenntnisse zur Stadterneuerung die Finanzierung für Alt bauten (Objekt- und Subjektförderung) gegenüber der Finanzierung von Neubauten stark benachteiligt ist.

Es hat sich gezeigt, daß die gebietsweise Erneuerungsarbeit in die Stadtteil- bzw. Stadtentwicklungspolitik einzubinden ist. Erst im Zusammenhang mit der gesamtstädtischen Entwicklung werden Gegenmaßnahmen zu gebietsweisen Verfalls- oder Verdrängungsprozessen längerfristig wirksam. Eine Abstimmung ist dabei in erster Linie erforderlich:

• zwischen restriktiven Maßnahmen zur Dämpfung ungezügelter Wachstums- und Umstrukturierungsvorgänge und Revitalisierungsmaßnahmen in entwick lungsschwachen Stadtgebieten sowie insbesondere auch • zwischen den Kosten von Erneuerungsmaßnahmen, den Mitspracherechten und der sozialen Absicherung der „Sanierungsbetroffenen“.

Nach allen bisherigen Erfahrungen ist für die Gebietserneuerung in größeren Städten die Einrichtung dezentraler Koordi- nations- und Organisationsstellen (Gebietsbetreuungen) sowohl in der Planungs- als auch in der Durchführungsphase eine unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg. Dabei ist zu beachten, daß eine scharfe Abgrenzung zwischen Planungs- und Durchführungsphase bei integrierten Gebietserneuerungen nicht möglich ist; die beiden Planungen sind eng miteinander verbunden.

Für die verstärkte Weiterführung der Gebietserneuerung, insbesondere in den großen Städten, sind weitere Änderungen der Organisationsstruktur sowohl auf der Ebene der zentralen Verwaltung (z. B. mehr Personal) als auch Verbesserungen der dezentralen Projektorganisation (gebietsbezogene Projektgruppen mit eigenem Projektbudget und mit verstärkter Bewohnermitbe- stimmung) notwendig.

Die direkte Einbindung der Bewohner, Hausbesitzer und Betriebsinhaber in die Gebietserneuerung liegt nicht nur im Sinne einer dezentralen Demokratie. Vielmehr schafft sie erst die eigentliche Basis der Stadterneuerung, die erfolgreich nur im Einvernehmen mit der ansässigen Bevölkerung geplant, entschieden und realisiert werden kann.

Dr. Helfried Bauer und Dipl. Ing. August Fröhlich sind Mitautoren der vom Kommunalwissenschaftlichen Dokumentationszentrum herausgegebenen Studie „Stadtemeue- rung als ständige Herausforderung“, Wien 1982 (Eigenverlag, Ebendorferstr. 2).

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