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Teures Geld durch Defizite
Selbstverständlich ist es richtig, daß das europäische Zinsniveau weitgehend von den Maßnahmen der US-Regie- rung beeinflußt wird; und daß die amerikanische Hochzinspolitik bis auf weiteres von der Reagan-Administration nicht aufgeben werden wird, wurde kürzlich in Ottawa deutlich gesagt.
Dennoch gibt es nicht nur eine beträchtliche hausgemachte Geldverteuerung, die von österreichischen Bankvertretern immerhin auf rund ein bis eineinhalb Prozent geschätzt wird, sondern auch immer stärker werdende Abhängigkeit von ausländischen Geld- und Kapitalmärkten, weil nämlich die Schere zwischen inländischer Geldkapitalbildung und Kreditvolumen in letzter Zeit immer größer wird (siehe Graphik). Das heißt: Es wird im Inland weniger gespart als Kredite vergeben werden.
Während in den Jahren 1973 bis 1976 jeweils „nur“ ein Fehlbetrag von durchschnittlich 50 Milliarden Schilling zu verzeichnen war, so schnellte dieser Betrag 1980 auf 86 Milliarden Schilling hinauf; im April 1981 standen einem
Gesamtkreditvolumen von 967 Milliarden nur Mittel aus Einlagen und Emissionen von 885 Milliarden Schilling gegenüber.
Es ist logisch, daß die österreichischen Kreditinstitute, deren Aufgabe es ja vor allem ist, die Entwicklung der heimischen Wirtschaft durch die Zurverfügungstellung von Finanzierungsmitteln zu sichern, diesen Fehlbetrag zu einem immer größeren Teil im Ausland aufnehmen müssen. Dies bedeutet jedoch nicht nur, daß der Kreditapparat viel stärker als früher Wechselkursris- ken eingeht, sondern das ausländische Zinsniveau erhält auch einen immer größer werdenden Einfluß auf die inländische Zinslandschaft.
So hat beispielsweise der ohnedies sehr enge österreichische Zwischenbankgeldmarkt die Anpassungslast dieser Geldkapitallücke zu tragen und mobilisiert durch fast schon „unnatürlich“ hohe Taggeldsätze die letzten Liquiditätsreserven. Da auch weiterhin kurzfristiges Geld teurer sein wird als langfristiges, erscheinen die Schwierigkeiten, die sich insbesondere im langfristigen Finanzierungsbereich ergeben, bis auf weiteres perpetuiert.
Diese Fragen hat die Girozentrale in ihremjüngsten Konjunktur-Report analysiert und auch versucht, den Ursachen dieser Geldkapitallücke auf den Grund zu gehen. Eine derartige Analyse muß sowohl beim Sparverhalten als auch bei der Kreditnachfrage ansetzen.
Die Gründe für die mangelhde Sparneigung sind weitgehend bekannt; Auf Grund der Einkommensentwicklung können Herr und Frau Österreicher nicht mehr im bisherigen Ausmaß Beträge auf die hohe Kante legen, ja es kommt in gewissen Fällen sogar zur „Entsparung“, um den gewohnten Konsumstandard halten zu können.
Auch das Spar- und Anlageverhalten der österreichischen Wirtschaft hat sich - der Zinssituation entsprechend - geändert. Unternehmer kalkulieren heute knapper und ziehen eher angelegte Beträge ab, als - relativ kostspielige - Kredite aufzunehmen.
Im Bericht wird besonders genau der Anteil der Bundesfinanzierung an den gesamten an den österreichischen Kreditapparat herangetragenen Finanzierungserfordernissen untersucht. Dieser Anteil (Kredite, Bundesschatzscheine, Wertpapiere im Portefeuille) ist von neun Prozent oder 30 Milliarden im Jahr 1973 auf rund 17 Prozent oder 157 Milliarden Schilling per Ende 1980 angestiegen.
Mit anderen Worten; Jeder sechste Schilling, den der Kreditapparat heute ausleiht, wird für die Bundesfinanzierung verwendet.
Wenn man in diesem Zusammenhang noch den weiteren Kreditbedarf der öffentlichen Hand bedenkt - Länder, Gemeinden, Sondergesellschaften -, dann ist leicht zu ersehen, welch ent
scheidende Rolle die öffentliche Hand hat; und zwar nicht nur mengenmäßig, sondern auch von der Konditionenseite her.
Noch 1973 war die Bundesfinanzierung für den Kreditapparat weder ein Liquiditäts-, noch ein Ertragsproblem, heute belastet vor allem der hohe Anteil an Bundeswertpapieren im Portefeuille der Kreditinstitute die Liquiditäts- und Ertragssituation beträchtlich.
Eine Entspannung der Situation könnte durch eine stärkere Zurückhaltung der öffentlichen Hand bei der Be
anspruchung der Kredit- und Kapitalmärkte erzielt werden, doch erscheinen derartige Forderungen angesichts des Budgetdefizits illusorisch.
Und bei der Zinsendiskussion wird - so Nationalbankpräsident Stephan Koren - bis auf weiteres auch nichts herauskommen, denn daß die gegenwärtigen Schwierigkeiten in Europa „aus einer jahrelangen Überforderung der eigenen Wirtschaften resultieren, steht ja auf einem anderen Blatt. Da hilft nur Umkehr, da hilft nur Realismus.“
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