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Überschätzter Mist

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Das zweite Opus des New Yorker Undeiiground-Filmers Andy Warhol, „Trash" — in der deutschen Bundesrepublik als „besonders wertvoll" ausgezeichnet, bei uns von der ausnahmsweise einmal richtig urteilenden Prädikatäsierungskom-mission abgelehnt — bereichert nun auch die Wiener Lichtspieltheater, wobei wieder einmal dem Künstler-hatiskino die Ehre bleibt, seinem Ruf als „Mist"-Ablagerungsstätte (Trash = Mist, Dreck) gerecht zu sein; aus dieser’ eindeutig kommerziellen Spekulation mit exhibitionistischen Porno-Effekten etwa eine „sozial- und gesellschaftskritische Aussage" heraiislesen zu wollen, wäre mehr als nur ein Mißverständnis, schon eine beabsichtigte Destruktionstendenz — und gar irgendwelche künstlerische, womöglich „beabsichtigte" Gestaltungsformen zu entdecken, zeugt höchstens von filmischer Unkenntnis und Kritiklosigkeit.

Die Erlebnisse eines vorwiegend nackten jungen Rauschgiftsüchtigen in New York, der mit einem Transvestiten (anders ist beim besten Willen diese von einem Mann gespielte Figur nicht deutbar!) zusammenlebt, sind keineswegs erschütternd oder sozial anklagend, schon gar nicht allgemeingültig, sondern nur tödlich langweilig — und die Gestaltung mit den mühsamen Kameraschwenks auf lohnende Ziele, mit der krampfhaft bemühten, aber selten gelingenden Scharfeinstellung der Bilder und den unendlich dilettantischen Darstellerleistungen (außer in den Szenen, wo sie von der Improvisation in ihre Realität gelangen) so amateurhaft, daß man sich nur wundem kann, wie dergleichen modisch dermaßen überschätzt werden kann (das dürften die Hersteller ebenfalls getan und sich über die ,ydummen Deutschen" schiefgelacht haben!). Dodi dem’ Künstlerhauakino eine-Linie absprechen zu \yollen, ist erwiesenermaßen ungerecht: es besitzt ganz sicher eine, eine sehr deutliche, eindeutige und gerade, sozusagen einen Strich… Daß sich die Filmindustrie das Indianerproblem so lange entgehen ließ, bleibt ein erstaunliches Phänomen — vielleicht ist es ein zu unbekanntes und heißes Eisen (schließlich gibt es ja wesentlich mehr Neger als Indianer in den USA!). Dem Engländer Carol Reed („Der dritte Mann") verdanken wir jetzt einen ebenso hervorragend gemachten wie aufhorchenlassenden Problemfikn zur Frage der „roten Minderheit", des Zusammenlebens der Indianer mit den Weißen in den Vereinigten Staaten. Er bedient sich dabei des — angesichts dieses heiklen und sichtlich kaum allgemein interessierenden Themas geradezu „genial" zu nennenden — Tricks, die Story von der modernen Rebellion einiger Rothäute wie eine Groteske, als Lustspiel ablaufen zu lassen, bis der ahnungslos-amüsierte Zuschauer am Ende plötzlich vor dem Abgrund der

Tragödie steht. Großartige Schauspielerleistungen (Anthony Quinn, Tony Bill, Shelley Winters u. a.) lassen „Nobody Loves a Drunken Indian" — der deutsche Titel lautet schlicht rnid einfach „Der Indianer" — darüber hinaus auch noch zu einem darstellerischen Genuß werden.

Ein wenig zwiespältig bleibt die Absicht des Produzenten-Autor-Regisseurs James Clavell, „Dos vergessene Tal", ein deutsches Schangri-La oder Garten Eden im Dreißigjährigen Krieg, zum Schauplatz einer symbolisch überhöhten Antikriegsproblematik zu machen. Die (geistige) Auseinandersetzung zwischen dem die Gewalt vertretenden Söldnerhauptmann und dem pazifistischen, vor den Greueln fliehenden Intellektuellen 1st zu wenig bedeutsam, um von den sehr brutal-naturalistischen Bildern ablenken zu können, und wirkt wohl auch zu wenig klar, um das Publikum die Aussage erkennen zulassen; übrig bleiben einige wunderschöne Bilder (im StUe Brueghels) und ein vermutlich ehrliches Bemühen…

Ausnahmsweise hat einmal die Reklame recht: die einzige Sensation des Liebes- und Ehekitsches „Die Geliebte" bilden tatsächlich die Nacktszenen des Starj — ob aber „La Moffo" es nötig hat, üiren zweifelsohne attraktiven Körper in einem so miserablen, verlogenen und an die Filmära Mussolinis („die Zeit der weißen Telephone") gemahnen-Contro-Verismo zur Schau zu stellen, ist wohl eine Geschmacksfrage; und wenn auch die Kamera andauernd schwenkt, rotiert und sogar Kopf steht, die Farben gepflegtestes Pastell liefern und der Schnitt von dezent bis rasant sämtliche Möglichkeiten variiert — edel wird der Kitsch trotzdem nicht! Braucht die Stimme schon eine solche Reklame oder war es nur eine Laune der Diva? Letztere sei ihr verziehen …

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