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Unter östlicherem Licht
Ein ganzes Bundesland mit allen seinen Landschaften nicht nur zu sehen und zu erkennen, sondern auch zu riechen, zu schmecken, durch alle Poren des Körpers hindurch zu spüren, seiner unverwechselbaren Melodie zu lauschen, sein anderes, sein glasig-östlicheres Licht liebzugewinnen, sobald man seiner gewahr wird, den Wegen dort, wo sie sich kreuzen, nach allen vier Himmelsrichtungen, ins Flachland und an die Hügel, nachzuträumen - das alles wird dem Leser möglich gemacht, der sich Sinn und Verstand für die Gewalt und die Schönheit des Worts bewahrt hat, des Worts, wie es aus Sebestyens neuem Burgenlandbuch gestaltend, einladend, fordernd und begütigend entgegentritt.
Da spielen Gottfried Kumpfs bezaubernde Farbtafeln überdies Oberstimmen, die das dahinströmende Wort umkreisen, ihm kontrapunktisch widersprechen, es ein wenig ironisieren, am Ende aber, nach einigen Abschweifungen, immer wieder bestätigen.
Wer kennt denn wirklich dieses Burgenland, die Schrecknisse, Banalitäten und Heroismen seiner Geschichte, diese Menschen, gemischt aus hundert verschiedenen und mitunter sehr seltsamen Blutströmen, wer kennt die Burgen alle und die Gespenster darin, die Wirtshäuser, die Bräuche, die derben Speisen und die subtilen Weine - die Weine vor allem?
Wer weiß denn schon, w;e so ein Frühherbst in Eisenstadt sich abspielt, wenn in der Druckerei, „über die Papierschlangen der Fahnenabzüge hinweg über ein ganz bestimmtes Gasthaus gemunkelt wird, über einen ganz bestimmten Wein in einem ganz bestimmten Keller”? Und wer weiß, daß Kittsee, dieses „beispielhafte” Schloß, mit Preßburg verbunden war „nicht nur durch die drei Bögen der alten Donaubrücke, die hier bereits 1570 von einem Puechhaimb erbaut worden ist und auch nicht durch die doppelte Lindenallee, die vom Eingang des Schlosses gerade auf die Burg zuführte, nein: Kittsee war Preßburgs Vorraum gegen Wien, war jenes Schloß, in dem sich die Herren versammeln durften, um auf die Ankunft ihres gewählten und in Preßburg nun zu krönenden Königs zu warten In der noch aus Asien stammenden Gleichheit der alten Geschlechter, und bei der feierlichen Einholung des neuen Herrschers auch mit dem schweren Schmuck des byzantinischen, kaukasischen, weit in den Turan hineinreichenden Geschmak- kes beladen.”
Ist es wirklich allgemein bekannt, daß in Edelstal „Grenzwächter aus dem asiatischen Stamm der Petsche- negen gehaust haben” - und dort zweifellos ihre Nachkommen hinterließen? Und wer weiß Näheres über die zottelig behaarten und bespeckten Gespenster von Landsee, die es in winterlichen Nächten am tollsten treiben? „Doch zieht ab und zu auch eine stille und würdige, allerdings kopflose Gestalt durch die Luft, der Ritter Erasmus Teufel, wackerer Kämpfer gegen die Türken.” Er wurde 1552 in Konstantinopel enthauptet. „Nun aber kehrt er zurück, allerdings ohne Kopf, denn diesen hat der Henker seinerzeit ins Marmarameer versenkt.1*
Man sollte sich das der Reihe nach erzählen lassen, in ebenjener Sprache, die von der rhythmischen Prosa zum plötzlichen leisen Wortwitz reicht, sollte das alles bei Sebestyen nachlesen und dann erst, nach einer Pause des Nachdenkens, hinfahren, ins Burgenland, weil nämlich dann alles dort wieder wie neu sein wird, noch nie gesehen, erkannt, gerochen, gehört, geschmeckt Und gespürt - ver-dichtet eben von einem Dichter.
BURGENLAND, WO SICH DIE WEGE KREUZEN. Von György Sebestyen. Mit 16 Farbtafeln nach Gemälden von Gottfried Kumpf.Edi- tionRoetzer,Eisenstadt 1977,141 Seiten, öS 220,—.
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