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Urlaub zur Bildung?

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FURCHE: Aus wirtschafls- und nicht sozialpolitischen Gründen streben Sie bis 1983 eine fünfte Urlaubs woche für alle an. Stehen die theoretischen 20.000 Arbeitsplätze, die diese Urlaubsverlängerung bringen soll, durch Rationalisierung bzw. mehr Uberstunden letztlich nicht nur am Papier?

SOZIALMINISTER DALLIN-GER: Das ist bis zu einem gewissen Grad sicher zu befürchten und aufgrund der österreichischen Wirtschaftsstruktur auch zu erwarten. Dennoch glaube ich, daß, wenn wir diese Maßnahmen nicht setzen, der Verlust von Arbeitsplätzen durch technologische Entwicklungen, durch Rationalisierungsmaßnahmen und andere Einflüsse noch größer wäre.

FURCHE: Eine Umfrage unter Betriebsräten über Maßnahmen zur Sicherung der Arbeitsplätze hat ergeben, daß an erster Stelle eine Reduktion der Überstunden befürwortet wird. Wäre nicht da zuerst der Hebel anzusetzen?

DALLINGER: Das ist sicher richtig. Nur ist das nicht so leicht zu bewältigen. Uberstunden werden in der Regel nur dort gemacht, wo es einen Auftragsüberhang gibt, wo also Vollbeschäftigung vorhanden ist. Aber eine Einschränkung der Uberstunden nützt dort nichts, wo keine Arbeit vorhanden ist. Das ist das Problem.

FURCHE: Trotzdem wird aber auch von Ihrer Gewerkschaft der Privatangestellten die Forderung erhoben, den Rahmen für gesetzlich zugelassene Uberstunden einzuschränken.

DALLINGER: Das ist sicher ganz allgemein richtig, daß man in einer Zeit, in der Arbeitsplätze bedroht sind, nicht eine besondere Begünstigung von Uberstundenleistungen herbeiführt oder bestehende aufrecht erhält. Nur ist das ein sehr subtiles Thema, das man mit großer Vorsicht angehen muß.

FURCHE: Wenn man den Aspekt, ob wir uns eine Urlaubsverlängerung wirtschaftlich leisten können, ausklammert, stellt sich die Frage: Was geschieht mit dieser fünften Woche. Es könnte ja sein, daß der erhoffte wirtschaftspolitische Effektsich umgekehrt in unserer Zahlungsbilanz negativ zu

Buche schlägt, wenn die zusätzliche Woche eine Woche länger Caorle oder Jesolo bedeutet.

DALLINGER: Es gibt natürlich keine Verhaltensregeln dafür, was jemand mit seiner Freizeit anfängt. Es könnte ja genauso sein, daß man sich mehr bildungsmäßigen Überlegungen widmet. Aber ein Teil wird das sicher dazu nützen, um Urlaub im Ausland zu machen, wie wir umgekehrt hoffen, daß sehr viele Ausländer Urlaub in Österreich machen. Ich möchte hier aber auch auf ein Argument eingehen, das gelegentlich vorgebracht wird: ob die Menschen die Freizeit sinnvoll bewältigen können. Ich möchte gerne, daß man sich ebenso den Kopf zerbricht, was jene mit der Freizeit anfangen, die arbeitslos sind, die von früh bis abends unfreiwillige Freizeit haben, die sie bewältigen müssen.

FURCHE: Sie haben mir das Stichwort Bildung geliefert. Eine gewichtige gewerkschaftliche Forderung ist doch die nach einem Bildungsurlaub. Wann soll es damit ernst werden? Soll damit bis zu einer sechsten, siebenten Urlaubswoche zugewartet werden?

DALLINGER: Sie sind der Zeit sehr weit voraus. Ich glaube, daß der nächste Schritt nicht eine weitere Vermehrung des Urlaubsanspruches sein wird, sondern daß aufgrund internationaler Trends in der späteren Folge wieder eine Verkürzung der wöchentlichen oder der täglichen Arbeitszeit kommen wird. Aber der Bilduhgsurlaub, der in verschiedenen Bereichen schon existent ist, ist sicherlich eine sehr wichtige Maßnahme. Nur hat er ja nicht das Ziel, das mit der diskutierten Arbeitszeitverkürzung angestrebt wird. Aber ich bekenne mich zum Bildungsurlaub,

FURCHE: Gerade der Zukunftsaspekt, den Sie aufgezeigt haben, müßte doch dazu führen, jetzt den Bildungsurlaub zu verwirklichen, weil es dann auf lange Sicht nicht mehr um mehr Urlaub geht.

DALLINGER: Ja, das ist hypothetisch-theoretisch richtig. Nur wenn ich die Reaktion beachte, die jetzt auf den einen Vorschlag gekommen ist, und überlege, wie sich der Widerstand verdichten würde, sollte der Bildungsur-, laub additiv dazukommen, muß man eine Rangordnung setzen. Und da stehen die wirtschaftlichen Umstände im Vordergrund.

FURCHE: Warum additiv? Die fünfte Urlaubswoche könnte doch die Woche Bildungsurlaub werden.

DALLINGER: Die Widmung dieser Freizeit in die eine oder andere Richtung ist eine Frage, die man diskutieren kann. Nur ist es in der Regel so, daß beim Bildungsurlaub der Nachweis über die Verwendung erbracht werden muß. Und das kann man bei einer Globalregelung nicht tun.

FURCHE: Wird nicht deshalb um den Bildungsurlaub ein Bogen gemacht, weil Vorbereitungen versäumt wurden? Wäre aber dafür bei den Arbeitgebern nicht Verständnis zu finden?

DALLINGER: Das müßte man ausloten, ob das der Fall ist. Sicher gibt es auf der Arbeitgeberseite sowohl gegen die eine wie auch gegen die andere Lösung Widerstand und es wird schwer genug sein, eine arbeitsmarkthypotheti-sche Lösung zu realisieren. Ich bin mir dieser Schwierigkeiten durchaus bewußt. Aber andererseits bin ich auch bereit, dieser bildungsmäßigen Nutzung der gewonnenen Freiheit das Wort zu reden und das in der öffentlichen Diskussion viel mehr in den Vordergrund zu stellen. Ich glaube, daß gerade die Umstellungen, die uns auf wirtschaftlichem Gebiet bevorstehen, es notwendig machen, die berufliche wie auch die allgemeine Bildung zu forcieren- ,

FURCHE: Fänden Sie es da nicht zumindest eines Versuches wert, darüber als Sozialminister jetzt in konkrete Gespräche mit den Sozialpartnern einzutreten?

DALLINGER: Das wird jedenfalls notwendig sein und ich bin gerne bereit, auch diesen Gedanken in die Gespräche einzubringen.

Das Gespräch mit Sozialminister Alfred Daliinger rührte Hannes Schopf.

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