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Wer trägt die Schuld?

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Das vergangene Jahr brachte Österreich einen negativen Nachkriegsrekord. Bei den Gerichten mußten 1297 Ausgleichs- und Konkursverfahren verzeichnet werden. Dazu kommen noch 537 Konkursanträge, die mangels Vermögen abgewiesen worden sind.

Die geschätzte Summe der Verbindlichkeiten beträgt 8,7 Mrd. Schilling gegenüber 6 Mrd. im Vorjahr.

Bei den Großinsolvenzen ab 5 Mill. Schilling steht in der Branchenstatistik die Bauwirtschaft mit 54 Fällen und einer Schuldsumme von 2,081 Mrd. Schilling an der Spitze, wobei hier auch der Fall RELLA mit allein 630 MilL Schilling inbegriffen ist.

An zweiter Stelle folgt die Textil-branche mit 39 Fällen und einer Schuldsumme von 1,421 Mrd. Schilling, wovon auf den spektakulären Konkurs der AG der Vöslauer Kammgarnfabrik 600 Mill. Schilling entfallen.

Es taucht nun mit Recht die Frage auf, worauf die Ursachen der eingetretenen Insolvenzen zurückzuführen sind. Es sind hier verschiedene Argumente anzuführen.

Bereits im Jahre 1977 hatte der Kreditschutzverband von 1870 prognostiziert, daß das Jahr 1978 für die Unternehmen ein sehr schwieriges sein wird. Die Krisenanfälligkeit der österreichischen Unternehmen nimmt leider weiter zu. Der Grund dafür ist nicht zuletzt in der durch sinkende Erträge fehlenden Eigenkapitalausstattung der Betriebe zu sehen.

Wie auch vom Kreditschutzverband schon wiederholt aufgezeigt worden ist, erscheint bei den Insolvenzen ferner auf Grund der hohen Inanspruchnahme von Fremdkapital die Zinsenbelastung der Unternehmen erschreckend hoch.

Nach der vom Kreditschutzverband durchgeführten Querschnittsuntersuchung für 1978 ergibt sich folgende Statistik für die Ursachen der Insolvenzen im Vergleich mit den vorangegangenen Jahren:

1976 1977 1978

Fahrlässigkeit 28% 42% 36%

Unsachlichkeit 38% 29% 30%

Pers. Verschulden 24% 16% 25%

Kapitalmangel 9% 12% 5%

Kein Verschulden 1% 1% 4%

100% 100% 100%

Es steht demnach die Fahrlässigkeit an der Spitze, worin zusammengefaßt sind: Eine ungenügende Kenntnis des praktischen Wirtschaftslebens, oft nicht einmal die einer geordneten Betriebs- und Rechnungsführung, das Unvermögen der differenzierten Beurteilung der Wirtschaft und die Veranlassung und Durchführung von übermäßigen, oft überflüssigen Investitionen, Erweiterungen und dergleichen.

An zweiter Stelle steht die Unsachlichkeit. Hier sind als Hauptkriterien anzuführen: die mangelnde Buchführung, Fehlen einer Planung, Konkurrenzverhältnisse, Nichtbeachtung von Funktionsveränderungen und ähnliches.

Als persönliches Verschulden gelten betrügerische Manipulationen sowie ein Lebensstandard, der weit über den verfügbaren Eigenmitteln bzw. Erträgnissen des Unternehmens liegt.

An vierter Stelle steht schließlich der Kapitalmangel (Armut). Hier ist das im Unternehmen eingesetzte Kapital als zu gering anzusehen, um den vom Betrieb angeforderten Aufwand befriedigen zu können (Knappheitsbegriff), auch die Unterschätzung der verfügbaren Eigenmittel mit der Absicht, Fremdkapital einzusetzen, ist hier anzuführen.

Kein persönliches Verschulden hegt schließlich vor bei Krankheit, Unglücksfällen durch höhere Gewalt und sonstigen Umständen, die außerhalb der Einflußsphäre des Unternehmens liegen, z. B. Versorgungsschwierigkeiten bei Rohmaterial, Streiks usw.

Als weitere Gründe, die ebenfalls zu den bereits angeführten Ursachen zu zählen sind, wären noch anzuführen Verteuerung der Bankzinsen, Personalkostensteigerungen, rückläufige Inlandsnachfrage, Insolvenz von Abnehmern, Ausfall von Lieferanten, staatliche wie z. B. preisdirigistische Maßnahmen, Kreditrestriktionen, Steuererhöhungen, Differenzen in der Geschäftsführung, Verwendung kurzfristiger Kredite für langfristige Investitionen, mangelhafte bzw. unvollständige Auslastung der eigenen Produktionsanlagen, übermäßige und unzureichende Vorratshaltung. Zu unterscheiden ist ferner, ob die Verlustquellen im außer- oder rein innerbetrieblichen Bereich liegen.

Eine weitere Querschnittsuntersuchung nach der Dauer des Bestandes der Unternehmen zeigt für die Jahre 1976 bis 1978, daß besonders junge Unternehmen, die oft nicht länger als drei bis vier Jahre bestehen, die Hauptträger der Insolvenzen sind. Aus diesem Grund sollte die Kapitalausstattung und Ertragslage des Unternehmens jeweils durch Einholung von Handelsauskünften usw. geprüft werden, um sich vor Verlusten zu schützen.

Es sind in letzter Zeit von politischer Seite im Zusammenhang mit der steigenden Zahl der Insolvenzen, die naturgemäß auch in der Öffentlichkeit Besorgnis ausgelöst haben, in sehr verallgemeinernder und negativer Form über die Unternehmerschaft Pauschalurteile gefällt worden. Solchen generellen Vorwürfen über ein Fehlverhalten von Management und Unternehmungen muß selbstverständlich mit aller Entschiedenheit entgegengetreten werden.

Es ist zu berücksichtigen, daß in Österreich rund 300.000 Betriebe (ohne Land- und Forstwirtschaft) tätig sind. Die Wirtschaft war sohin mit den 1297 eröffneten Insolvenzverfahren mit 4,3%o belastet (1977 3,4%o). Gemessen am Bruttonationalpro-dukt, welches sich laut Wirtschaftsforschungsinstitut 1978 nominell auf 844 Mrd. Schilling (real auf 408,3 Mrd. Schilling) belief, beträgt die Schuldsumme von 8,7 Mrd. Schilling rund 1% (1977 0,76%).

Interessant ist die Feststellung, daß in der BRD die Insolvenzkurve bereits wieder im Sinken begriffen ist.

Ein gewisses Umdenken wird jedenfalls erforderlich sein, um auch bei uns die Insolvenzrate nicht weiter ansteigen zu lassen, wobei es vor allem darum geht, alle weiteren Belastungen von der Wirtschaft abzuwenden und endlich alle Maßnahmen für eine Stärkung der Eigenkapitalbasis der Klein- und Mittelbetriebe zu ergreifen. Erst wenn diese Eigenkapitalbasis gestärkt ist, wird zweifellos auch der Anreiz für Investitionen wieder im verstärkten Umfang gegeben sein.

Der Autor ist Direktor des Kreditschutzverbandes von 1870.

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