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Wie repariert man seinen schlechten Ruf?

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Die Bundestheaterverwaltung wurde umbenannt und reformiert. Mitglieder des Burgtheaters haben Ausschüsse (Arbeitsgemeinschaften) und ein Proponentenkomitee gebildet, die im Dienste des Hauses neue Ideen an die Leiter herantragen. Wir halten diesen Weg für richtig, denn das künstlerische Profil eines Instituts kann nicht nur durch administrative Maßnahmen und kosmetische Operationen verbessert werden. Die Reform muß von innen kommen. Wir haben deshalb eine der profiliertesten Schauspielerinnen des Burgtheaters gebeten, einige Gedanken zu den Problemen ihres Stammhauses niederzuschreiben und uns mitzuteilen. F.

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Die Bundestheaterverwaltung wurde umbenannt und reformiert. Mitglieder des Burgtheaters haben Ausschüsse (Arbeitsgemeinschaften) und ein Proponentenkomitee gebildet, die im Dienste des Hauses neue Ideen an die Leiter herantragen. Wir halten diesen Weg für richtig, denn das künstlerische Profil eines Instituts kann nicht nur durch administrative Maßnahmen und kosmetische Operationen verbessert werden. Die Reform muß von innen kommen. Wir haben deshalb eine der profiliertesten Schauspielerinnen des Burgtheaters gebeten, einige Gedanken zu den Problemen ihres Stammhauses niederzuschreiben und uns mitzuteilen. F.

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Puls der Zeit zu bleiben. Dadurch uns

Besucht man die vier großen Sprechtheater Wiens, so fällt einem immer wieder auf, wie spärlich die Jugend im Publikum vertreten ist. Bei manchen Aufführungen ist sie überhaupt absent. Eine Ausnahme mag das Sonderabonnement des Volkstheaters machen, das mit dem Zyklus „Konfrontationen“, einer Auswahl ganz spezifischer Stücke, die jüngere Generation anzusprechen versucht.

Der Großteil der theaterinteressierten Jugend Wiens geht in die Keller.

Von Standpunkt des Schauspielers gesehen, gleichgültig welchem Theater er angehört, ist es nun gerade diese Schicht und Generation der Bevölkerung, die er sich am sehnlichsten als Zuschauer wünscht und unbedingt braucht; denn kraft ihrer Wachheit und natürlichen Forderungen an die Gegenwart, übt die Jugend die schonungsloseste Kritik, d. h. ist überhaupt kritisch. Ihre spontane Zustimmung oder Ablehnung schaffen die Impulse zu ständig sich erneuerndem künstlerischem Schaffen.

Wir aber spielen seit Jahren ohne dieses Publikum, ohne diese natürlichsten Gradmesser im Bezug auf unsere Zeit.

Was ist geschehen und was ist mit uns geschehen?

Ich glaube, es sind nicht nur die zu hohen Eintrittspreise, die uns die Jugend aus unseren Theatern vertrieben haben. Vielmehr ist es ein jahrelanger, mehr oder weniger erfolgreicher Theaterleitungsstil, der es nicht für notwendig erachtet, mit einer richtig funktionierenden Dramaturgie am ist verabsäumt worden, unseren geistigen sowie künstlerischen Standort fortwährend zu überprüfen, um somit im richtigen und aktuellen Bezug zur Zeit und ihrer Generation zu bleiben. Man manövrierte sich, ganz unbeabsichtigt, in eine Isolation hinein, und die Schauspieler (nicht gerade die objektivsten Charaktere!) gerieten in den Dunst der kritiklosen Selbstbewunderung ihrer ach, so hohen Kunst. Star- und Novitätenhysterie zerplatzten letztlich nur als kleine Raketen im kalten Licht der Schlagzeilen.

Kein Wunder, daß sich da eine Jugend, ohnehin allergisch gegen Firlefanz und Opportunismus, abkehrte und ausblieb. In ihrer Erinnerung an uns ist allein der schlechte Ruf geblieben: der Ruf veralteter Interpretationsformen, unzeitgemäßer Klassikerauslegung, der Gesichtslosigkeit, der seichten Unterhaltung. Und gestehen wir es: Diese Vorwürfe sind teilweise berechtigt. Teilweise.

Seit auch die Presse sich dieses Problems unserer Theaters bemächtigt hat, es aber doch meistens beim „Beleuchten“ bewenden läßt, bin ich als Schauspielerin gerne bereit, ein paar konstruktive Vorschläge zu machen in Beantwortung einer Anfrage der „Furche“ z. B. zum Thema: Wie kann man seinen schlechten Ruf reparieren?

Einmal muß es unser aller ernsthaftes Bemühen werden, mit tauglichen Mitteln zu versuchen, die Jugend, und zwar möglichst viele der Jungen, wieder in unsere Theater zurückzuholen, indem wir das Risiko auf uns nehmen, der blanken Kritik dieser

Generation zu stellen, öffnen wir ab sofort jede neue Inszenierung als Vorpremiere der Jugend (Studenten, Schüler, Militär) zu stark ermäßigten Preisen (ein Sitz darf nicht mehr als eine Kinokarte kosten). Zeigen wir diesem Publikum eine funkelnagelneue, von der Presse noch nicht beurteilte Vorstellung, und überlassen wir so unsere getane Arbeit dem unbefangenen Blick und dem kritischen Geist, der Beurteilung dieses Publikums. Sollten von diesem dann Fragen an uns gestellt werden, muß man diese beantworten, in Form einer anschließenden Diskussion. In dieser sollten wir nicht über den Inhalt der Stücke diskutieren, sondern über Rolleninterpretation und Regie. Für Fragen solcher Art wären wir auch wirklich zuständig.

Wirtschaftlich besehen ist ein solches Unternehmen kein Verlust, sondern als Investition In ein neues Publikum zu buchen.

Zur Beruhigung des „Apparates“ soll gesagt werden: Das Abonnement läuft trotzdem weiter.

Was solch ein Abend für uns Schauspieler bedeuten könnte, brauche ich wohl kaum zu sagen: Allein die Präsenz eines wachen, jungen und kritischen Publikums würde zu spontanen Bestleistungen anspornen. Einmal im Monat wär’s dann bestimmt nicht fad!

Und was könnten wir für die Kinder tun: das zukünftige Publikum unserer Theater? Hierüber ein anderes Mal.

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