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Wieder Lust aufs Kino

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FURCHE: Österreichische Filme haben im letzten Jahr einige künst­lerische Anerkennung gefunden. Ein Grund zum Jubeln?

FRANZ SCHWARTZ: Nicht unbedingt, es war eher ein glückli­cher Zufall, daß innerhalb eines Jahres für österreichische Verhält­nisse relativ viele Produktionen entstanden sind, die einen hohen künstlerischen Anspruch haben, beispielsweise Michael Hanekes „Der siebente Kontinent" oder Michael Syneks „Die toten Fische". Daneben gibt es aber auch - und wird es immer geben - Filme, die nicht dieses künstlerische Poten­tial haben - sogenannte „Bügelfil-me .

FURCHE: „Bügelfilme"?

SCHWARTZ: Ich nenne jene Arbeiten Bügelfilme, die man sich am Abend im Fernsehen ansieht und bei denen man jede Tätigkeit ausüben kann, ohne etwas Wichti­ges zu versäumen. Das sind Filme, die nicht von vornherein für das Fernsehen produziert werden, aber nur dafür geeignet wären. Das ist nicht notwendigerweise negativ. Es sind durchaus ordentliche Produk­tionen, die auf dem Bildschirm gut ankommen, die aber den Aufwand, der für einen Kinofilm notwendig ist, nicht rechtfertigen. Ganz abge­sehen davon, daß - trotz der hohen Produktionskosten eines Films -auch etwas mißlingen darf. Allein in Amerika kommen jährlich Hun­derte Filme (auch aufwendige Pro­duktionen) nach ihrer Fertigstel­lung nicht ins Kino.

In Österreich kommt jeder geför­derte Film ins Kino, egal, was die Beteiligten - Regisseur, Produzent oder Förderer - nach seiner Fertig­stellung sagen. Und der Film be­kommt zusätzlich nach der Ent­scheidung durch eine Auswahlkom­mission eine Förderung für den Start in den Kinos. Hier sollte man aber sagen dürfen: Ich kann zwar nicht verhindern, daß der Film ins

Kino kommt, ich gebe ihm aber keine weitere Förderung, damit er mit diesem Geld nicht einen Markt­wert vortäuschen kann, den er nicht hat. Wenn wir Qualität vortäuschen, wo sie nicht oder nur zum Teil gegeben ist, merkt es das Publi­kum. Es revanchiert sich mit rück­läufigen Besucherzahlen und mit Mißtrauen. Genau das bekommen wir jetzt zu spüren: Immer weniger Filme machen einen immer größe­ren Teil des Verleihumsatzes aus, also 20 Prozent der Filme machen 80 Prozent des Umsatzes. Schließ­lich müßte auch nicht jeder in Öster­reich fertig produzierte Film ins Kino kommen. Man kann doch das Desaster vorhersagen, und so ist der Film im Fernsehen sicher bes­ser aufgehoben als im Kino.

FURCHE: Als Geschäftsführer des Stadtkinos in Wien und des dazugehörigen Verleihs kennen Sie die Kinolandschaft Österreichs. Wie schätzen Sie deren Lage ein?

SCHWARTZ: Wir machen mit dem Stadtkino-Verleih in Wien gut 80 Prozent des gesamtösterreichir sehen Umsatzes. Dieses kulturelle Übergewicht ist für mich beängsti­gend, abgesehen davon, daß es ein finanzielles Problem ist. Ich hoffe, daß der Bund endlich Maßnahmen setzt, damit es zumindest in einigen Landeshauptstädten etwas Ver­gleichbares gibt. Das Kino Kiz in Graz beispielsweise kämpft um seine Existenz. Der Bund als poten­tester Subventionsgeber sollte den Betrieb solcher Kinos durch eine regelmäßige Unterstützung fördern. Derzeit geschieht das nicht, der Staat fördert einmal hier, einmal dort und immer unregelmäßig.

FURCHE: Wie könnte man vor allem die von Ihnen angeschnittene Verteilung des Umsatzes zwischen Wien und den Bundesländern ver­ändern?

SCHWARTZ: Eine Lösung heißt sicher Kontingentierung. Das heißt,

daß der Einkauf von Film-Paketen der mächtigen ausländischen Film­industrien durch Gesetz beschränkt werden sollte. Daß nicht jeder schlechte Film, der im Paket ge­meinsam mit kommerziell erfolg­reichen Filmen in den Verleih

kommt, auch bei uns in den Kinos läuft, und das Kinopubli­kum ästhetisch wert­volle Arbeiten wie­der schätzen lernt.

FURCHE: Wie se­hen Sie den ORF in der österreichischen Filmlandschaft und die starke Konkur­renz für das Kino durch zahlreiche Spielfilme im ORF-Programm?

SCHWARTZ: Der ORF ist über das Film-Fernsehab­kommen bekannt­lich zu einer Förde­rung der Produktion von Kinofilmen ver­pflichtet und erfüllt diese Aufgabe in letzter Zeit zufrie­denstellend. Michael Hanekes „Der sie­bente Kontinent" wurde immerhin mit 4,5 Millionen geför­dert. Was das Ange­bot von Spielfilmen in den Programmen des ORF betrifft, hoffe ich, daß es noch größer wird. Die Leute werden dann übersättigt sein und wieder Lust aufs Kino bekommen.

Mit Franz Schwartz, dem Geschäftsführer des Wiener Stadtkinos und des dazuge­hörigen Verleihs, der auch als neuer künstlerischer Lei­ter des,, Viennale"-Filmfestivals im Gespräch ist, sprach Peter Illetschko.

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