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Filmschau der Nationen

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Kulturfilmkongreß in Salzburg — Delegierte von 17 Nationen — Festmatinees, Ländervorführungen: eine Heerschau des Kulturfilms der Welt. Aus den Berichten der Delegierten entsteht ein sorgenvolles Bild: Frankreich sichert seinen Vorführungen durch Gesetz die Aufführung in den Kinos und finanziert seine Filmproduktion durch einen Filmgroschen zur Kinokarte, aus dem auch der Kulturfilm seinen Anteil erhält. So entstehen dort immerhin 350 Kulturfilme im Jahr, darunter Spitzenleistungen. Italien hat die obligatorische Vorführung für seine Kulturfilme, England refundiert für seine Kulturfilme, die in den Kinos vorgeführt werden, die Lustbarkeitssteuer und gibt ihnen damit rund zwei Drittel ihrer Herstellungskosten und hat eine wohlorganisierte Vorführorganisation für Kulturfilme außerhalb der Kinos, die 14 bis 15 Millionen Besucher im Jahr erfaßt. Selbst die sparsame Schweizer Regierung sieht vor, daß dem Kulturfilmproduzenten, der 30 Prozent Eigenkapital aufbringt, 40 Prozent der Herstellungskosten als rückzahlbare Risikogarantie vorgestreckt werden und er, wenn der Film fertig und gut ist, eine weitere Qualitätsprämie von 30 Prozent erhalten kann, die er nicht zurückzuzahlen braucht. In Deutschland jedoch wurde 1945 die Filmgesetzgebung, wie die Allierten heute erklären: versehentlich, aufgehoben, und damit fiel auch die Steuerbegünstigung für den Kulturfilm und damit seine Existenzgrundlage weg, die bis jetzt nicht bundeseinheitlich erreicht werden konnte. Jedoch gab es Auftragsfilme und Stiftungsfilme der Industrien.

In Österreich wurde ebenfalls die hier geltende deutsche Filmgesetzgebung aufgehoben, aber keine neue österreichische dafür eingeführt, und bei der länderweisen Lustbarkeitssteuerregelung hat man den Kulturfilm vergessen. Ja, nicht einmal der Kulturgroschenbetrag, der aus der Kulturfilmvorführungen einfließt, wird zur Gänze dem Kulturfilm zugewendet. Die 300.000 Schilling des Jahres 1950, die dank der Initiative des Unterrichtsministeriums aus dem Kulturgroschen dem Kulturfilm doch zuflössen und zusammen mit dem Idealismus der Kulturfilmschöpfer ein Weiterleben des österreichischen Kulturfilms überhaupt ermöglicht haben, würden in anderen Ländern, wie man aus dem Erfahrungsaustausch feststellen konnte, kaum die Kosten für einen Film übersteigen. Denn in Frankreich betragen die

Herstellungskosten für einen Kurzkulturfilm rund 180.000 bis 420.000 Schilling, in der Schweiz rechnet man mit rund 240.000 Schilling. Einer der gezeigten deutschen Farbkulturfilme, ein Spitzenwerk seiner Gattung, ein Kurzfilm, hatte — umgerechnet — reine Herstellungskosten von über einer halben Million Schilling.

Man muß diese Ziffer an die Spitze stellen, denn sie erweist, welche außergewöhnlichen Leistungen die österreichischen Kulturfilmschaffenden vollbringen, daß sie mit den ihnen zugebilligten Mitteln überhaupt noch Filme von Qualität herzustellen vermgöen, wie etwa Bruno Lötschs „Wettkampf im Wasser“ oder „Stimmen dei Heimat“ oder Quendlers „Stadt am Morgen“ oder Stummers „Dürer-Passion“ und die anderen. Denn ein Film von Qualität ist ohne technischen Apparat und ohne Zeit für die schöpferische Arbeit nicht denkbar.

Schauplatz Mozart-Kino. Filmschau der Nationen. Von Indien bis Finnland, von Kanada bis Jugoslawien wechseln die Schauplätze. Manche der Filme fesseln nur durch den Schauplatz, den Gegenstand .Der französische Film „Claudel* ist eine neue Art des Archlvfilms, Dokument einer großen Dichterpersönlichkeit für die Mit- und Nachwelt. Walter Leckebusch baut in dem deutschen Film „Und es begab sich“ aus neapolitanischen Krippenfiguren das Weihnachtsevangelium zu einem Drama von bezwingendem künstlerischem Reiz, der Schweizer Fum vom „Rheinkraftwerk“ gestaltet mit Mitteln des Tricks eine Erörterung über ein riesiges Bauprojekt, der italienische Film „Metan und Erdöl“ demonstriert ebenso, durch Trickaufnahmen unterstüzt, eindrucksvoll die Erschließung von Erdölvorkommen, der kanadische Film „Kampf gegen den Krebs“ gibt eine packende feuilletonistisch-optimistische Aufklärung. Daß aber im Schwarzweißfilm nur mehr neue Themen oder Gestaltungen Erfolg haben, hingegen das Hinzutreten der Farbe selbst die abgebrauchten Themen völlig neu erschließen kann, erwiesen zwei Farbkurzfilme, ein deutscher (Agfacolor) von Dr. Ullrich Kaysei „Feurige Hochzeit“ über die Stahlerzeugung im Ruhrgebiet und ein italienischer (Ferania) über einen Ausbruch des Ätna. In beiden Fällen wurden die oftgefilmten Eindrücke durch die Farbe zu einem völlig neuen, unvergeßlichen Erlebnis und zu einer filmtechnischen Leistung.

Um was es in den Beratungen und Entschließungen in den acht Tagen ging, das ist dies: Spielfilm und Kulturfilm sind zweierlei. Der Kulturfilm ist ein B i 1 d u n g s-mittel. Es ist ein Unrecht, Bildung zu besteuern. „Was tun die Länder und Staaten mit den Millionen, die sie aus den Filmtheatern an Steuern einnehmen, für den Film?“ fragte der Hauptreferent der Tagung. Es ging weiter um den Austausch der Kulturfilme zwischen den Staaten, der durch Aufhebung von Zoll-und Devisenschranken ermöglicht -'erden soll, es ging um die Ermöglidiung von Gemeinschaftsproduktion und darum, die Interessenten des Kulturfilms, die außerhalb des Kinos noch gewonnen werden können, zu erfassen. Es war ein Kongreß, der mit Leidenschaft um ein bedrohtes Kulturgut kämpfte. Und um die Einsicht der Verantwortlichen. Denn der Mangel an dieser Einsicht in der Vergangenheit hat diese Krise, in der der Kulturfilm heute steht, überhaupt erst heraufbeschworen.

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