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Digital In Arbeit

Wir könnten uns schlank helfen!

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„Ich zweifle an der Sinnhaftig-keit meiner Arbeit, mit der ich mein Brot verdiene. Ich geniere mich dafür.”

Der Mann ist Werbegraphiker und hat eben eine Kampagne für ein internationales Abnehm- und Abspeck-Institut fertiggestellt.

Iß dich schlank! In einer Woche vier Kilogramm weniger. Fort mit dem Winterspeck.

Millionenbeträge werden auch hierzulande umgesetzt, um den Folgen des Wohlstandes Herr zu werden, den Folgen von Freß-sucht und falscher Ernährung. Und das ist unsere Eß-„Kultur”?

Hunger haben? Das ist für uns der Augenblick, den Appetit nicht gleich stillen zu können. Die Pharmaindustrie hat uns sogar mit Appetitzüglern beglückt. Chemie statt Brot.

Aber wirklich Hunger haben? Jene Österreicher, die jünger sind als diese Zweite Republik, wissen nicht, was das heißt, wie das ist. Vier Jahrzehnte haben unsere kleine Welt verändert.

5. April 1945. Die „Schlacht um Wien” beginnt. Der Wahnwitz des Krieges beschert nur dem Tod reiche Ernte. Wochen unsagbaren Leides, und trotzdem ein Ostern der Hoffnung, Monate des Elends und der Not, unstillbarer Hunger im Gefolge der politischen Katastrophe. Ein verheertes Land.

Hunger ist der Begleiter jeder politischen Katastrophe. Daran hat sich nichts geändert. Und gesellen sich dazu Natur- und (geerbte) strukturelle Katastrophen, dann ergibt das jene Elendsbilder, die uns jetzt begegnen.

Äthiopien - Hunger hat „Nachrichtenwert” bekommen. Die zerlumpten und abgemagerten Skelette berühren uns peinlich, Gestalten mit monströsem Hungerödem rütteln am Gewissen.

Stimmt: Der Äthiopien-Tag ist vorbei. Wir haben uns nicht lumpen lassen. Also abhaken. Außerdem sind grundsätzliche Maßnahmen notwendig, um des Hungertodes in der Welt Herr zu werden. Man muß die Ursachen bekämpfen, nicht die Folgen lindern.

Ja, ein neues, gerechtes Weltwirtschaftssystem ist notwendig. Mit dem Rüstungswahnsinn muß Schluß gemacht werden. Eine vernünftige ländliche Entwicklungspolitik gehört verfolgt...

Das alles ist richtig. Richtiger als die simple Formel, den Welthunger mit Pille und Kunstdünger ausrotten zu können.

Richtig ist auch, daß die Weltlandwirtschaft zwölf Milliarden Menschen ernähren könnte. Nur gelingt es nicht, daß heute 4,7 Milliarden Menschen satt werden. Langfristig dürfen, müssen wir hoffen. Aber kurzfristig dürfen wir nichts abhaken.

Die Hungerkatastrophe ist größer als unsere bisherige Hilfsbereitschaft. Die Soforthilfe muß weitergehen, morgen schon, bis zur nächsten Ernte — wenn sie kommt. Nicht aus Mitleid, sondern aus Brüderlichkeit. Das sollten vor allem Christen bei ihrer eucharistischen Tischgemeinschaft zu Ostern bedenken.

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