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Wunschzettel

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Immer noch schreiben in diesen Tagen Kinder „Wunschzettel“ und hoffen, daß ihre mehr oder weniger erfüllbaren Träume durch das allmächtige Christkind Wirklichkeit werden.

Auch Erwachsene haben Wunschzettel. Manche Wünsche, die darauf stehen, würden zu ihrer Erfüllung tatsächlich Wunder brauchen. Die kann man nur erbitten und erhoffen. Andere könnte man sich durchaus selbst erfüllen, gegebenenfalls wird man dazu Hilfe von anderen und von Gott brauchen.

Ich wünsche mir zum Beispiel mehr Freude, mir selbst und der ganzen Welt Ich wünsche sie mir, weil und obwohl Hunger, Tod, Verbrechen, Terror, Gewalt in dieser Welt gegenwärtig sind wie eh und je. „Erschienen ist die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes“ - so werden wir in der Liturgie der nächsten Tage mehrmals hören. Das ist eine ebenso wirkliche Tatsache, ein lebendiges Zeichen, mitten in der Nacht aufgegangen, wie auch die Auferstehung Jesu ein Zeichen in der Nacht und für deren Überwindung war. Deswegen haben sich unzählige Menschen bis in unsere Tage der Welle des Leides und des Bösen in dieser Welt entgegengestellt und haben Freude gebracht, auch dann, wenn sie Tod, Schmerz und Unrecht nicht beseitigen konnten.

Ich wünsche mir, immer mehr jemand zu sein, der Freude bringt, der nicht rrritraunzt über die „schreckliche Zeit“, sondern Gutes tut, der ohne Mißtrauen und Vorurteile anderen begegnet zu verstehen trachtet, statt zu kritisieren, der zuhört, statt zu belehren …

Ich wünsche mir' aber auch, daß viele von uns Christen das täten, besonders jene, die im Namen Jesu oder der Kirche das Wort ergreifen. Ich wünsche mir, daß alle Weihnachtspredigten und Neujahrsbotschaften „frohe Botschaften“ sein mögen, die „ein Licht anzünden, statt über die Dunkelheit zu schimpfen“, wie es in einem chinesischen Sprichwort heißt

Ich wünsche mir, daß die Welt durch uns Christen gerade in diesen Tagen Freude gesagt und Freude gezeigt bekommt, so eindrucksvoll und anstek-

kend, daß andere Freuden dagegen verblassen.

Ich wünsche mir mehr Hoffnung, mehr Optimismus. Ebenfalls weil und obwohl in mancher Hinsicht heute nicht alles zum Besten zu stehen scheint. „Seid getrost, ich habe die Welt überwunden“ - das ist die Basis für Hoffnung und Optimismus, die Gewißheit, auf eine Zukunft zuzugehen, die die Dimensionen dieser Welt überwindet. Zu Optimismus berechtigt aber auch all das Gute, das geschieht; das Positive, das in vielem Neuen steckt; der gute Kern, auch im Bösen; die Regel, die es immer noch gibt, während wir bestürzt auf die Ausnahmen starren.

Ich wünsche mir selbst, mehr Hoffnung auszustrahlen: ein Mensch zu sein, der vor allem ,ja“ und nur wenige, gut überlegte „nein“ sagt, der Zuversicht verbreitet, statt Kleinmut, der der Zukunft zugewandt ist und nicht der Vergangenheit, der bereit ist, Altes loszulassen, um Neues zu gewinnen.

Ich wünsche mir das auch von den anderen Christen und ich bin sicher, daß wir dann alle miteinander viel mitreißender, attraktiver, begeisternder wären, als wir das heute mit unserem Ärger, unserer Ängstlichkeit und unseren Unkenrufen sind. Unsere „Frohbotschaft“ würde so ihrem Namen gerecht und wieder besser den Weg in die Herzen der Menschen finden können.

Die „Randbemerkungen eines engagierten Christen“ geben die Meinung des Autors wieder. Diese muß sich nicht mit der Meinung der Redaktion decken.

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