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Versöhnung konferiert in Graz

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Nachdem berufene und unberufene Fachleute der kommen den Konferenz längst bescheinigt haben, warum sie gar nicht gelingen kann, ja vielleicht sogar scheitern muß, ist es richtig reizvoll, ja fast ein Zeichen von Courage geworden, nach Graz zu fahren. Und da Negativbilanzen im Sinn satirisch verstandener präsentischer Eschatologie vorliegen, besteht die Wahrscheinlichkeit, daß „Graz 97” doch gelingen könnte. Zugegeben - die Christenheit ist teilweise in einem erbärmlichen Zustand. Aber hat sie nicht gerade darin Erfahrung? Zugegeben, die Ratlosigkeit hat den Kern des Glaubens erfaßt - es wird nicht über Randprobleme oder nur über ethische Konsequenzen gestritten. Zugegeben, der Wurm sitzt in der Versöhnungslehre, ja in der Chri-stologie überhaupt - aber deshalb hat schon Paulus den Korinthern geschrieben. Die Christenheit muß, scheint's, vom Faulbett der Anselmschen Satisfaktionslehre, auf dem sie sich fast 1000 Jahre gesuhlt hat, aufgeschreckt werden. War der Kreuzestod Christi wirklich das Verlangen eines unbegreiflichen Gottes? Wollte er die Menschen wirklich nur lieben, wenn ihm ein Unschuldiger geopfert wird? Wußte man nicht schon im Alten Testament, daß ein opferlüsterner Gott den Glauben durch Masochismus und die Ethik durch Sadismus korrumpiert? Ein praktizierender evangelikaler Ewiggestriger hat mir gesagt: „Christus ist auch für Himmler gestorben!” Nein, Christus ist „durch Himmler” gestorben! habe ich gut jesuanisch geantwortet.

Ist nicht endlich mit der urchristlichen Überzeugung - das Kreuz Christi ist das Aus für alles Opfern - ernst zu machen, auch mit dem ideologischen Restmandat einer „unblutigen Wiederholung”? Oder wollen die Menschen keine geschenkte Versöhnung? Wollen sie bezahlen, opfern - primär natürlich jemand anderen? Wann werden die Christen begreifen, daß ihnen weder ein „Sündenbockkotelett” noch ein „Opferlammbraten” serviert wird? Könnte es sein, daß Gott durch seine Selbstopferung alle menschlichen Opfertheorien ad absurdum führen wollte? Ohne intensive theologische Arbeit wird's auch in Graz mit der Versöhnung nichts werden.

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