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Zur großen Kirchenpolitik

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Preii 3.JO DM

Dieiel Buch tit nicht nur für Protestanten, sondern auch für Katholiken, besonders für Theologen und theologisch gebildete Laien, außerordentlich aufschlußreich. Wie der Untertitel sagt, ist es eine polemische Schrift. Den unmittelbaren Anlaß zur Herausgabe gaben die Begegnungen zwischen prote- tantischen Kirchenführern und dem Patriarchen von Moskau im vergangenen Jahr. Asmussen gehört selbst xu den bedeutendsten Kirchenführern des deutschen Protestantismus. Von 1945 bis 194 war er Leiter der Kanzlei der evangelischen Kirchen Deutschlands. In der nationalsozialistischen Zeit gehörte Asmussen zu den führenden Köpfen der „Bekennenden Kirche“.

Asmussen lehnt im vorliegenden Buch die Versuche, die Einigungsbestrebungen der christlichen Kirchen auch auf die Ostkirche, im besonderen auf die Orthodoxe Kirche Rußlands in ihrer heutigen Verfassung, auszudehnen, rundweg ab. Ja, er verurteilt diese Versuche aufs schärfste. Nach seiner Ansicht handelt es sich bei diesen Gesprächen nicht um ein religiöses Gespräch, sondern um ein Politikum. Diese Bestrebungen hingen zusammen mit der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands, für die man sich dabei einen Gewinn verspreche, vor allem aber seien sie gegen die katholische Kirche gerichtet. Das beweist Asmussen eingehend Dazu behandelt er das Thema der Wiedervereinigung unter einem weiteren Aspekt, vor allem das Verhältnis des Protestantismus zum Katholizismus und zur Ostkirche und umgekehrt.

Soweit es sich nur um die geschichtlichen und politischen Voraussetzungen für eine Wiedervereinigung handelt, ist die Klarheit und Sauberkeit, mit der Asmussen in seiner Untersuchung vorgeht, freudigst anzuerkennen. Schwieriger wird es uns Katholiken, dem ehrlichen Verfechter des großen Anliegens zu folgen, wo er in theologische Erörterungen eintritt. Auch hier erkennen wir noch voll und ganz an, daß Asmussen zuerst für die Betonung des Gemeinsamen in Glauben und Lehre eintritt. Wo es sich aber um die theologischen Unterscheidungslehren handelt, scheint uns Asmussen die Dinge zu vereinfachen. So bedient sich die katholische Theologie und das kirchliche Lehramt zwar der philosophischen Begriffe, die dem großen Werk des Stagyriten entnommen sind, aber man kann deshalb nicht einfach behaupten, daß sie das Dogma der Eucharistie auf die aristotelische Philosophie aufbaue, die Eucharistielehre also auf den aristotelischen Substanzbegriff. Auch den Begriff des Sakramentes scheint Asmussen weiter zu fassen als es die traditionelle Theologie tut. Ein wesentlicher Punkt scheint uns dabei übersehen worden zu sein. Müßte in dieser Auseinandersetzung nicht vorerst nach der christlichen Ueber- lieferung in den ersten Jahrhunderten gefragt werden? Der große Ernst der protestantischen Exegese, auch ihr Einfluß auf die katholische Exegese und ihr großes Verdienst, das Asmussen ganz mit Recht hervorhebt, wird heute von uns Katholiken voll und ganz anerkannt. Kann aber die Frage der Unterscheidungslehren einzig und allein auf dem exegetischen Weg gelöst werden? Muß nicht neben der Frage, wie wir die Schrift verstehen, auch noch die andere Frage gestellt werden, warum die christliche Tradition durch so viele Jahrhunderte die Schrift anders verstanden hat? Warum ist Luther und nach ihm die protestantische Theologie von der Tradition der vorausgehenden Jahrhunderte abgewichen, und berechtigen diese Gründe in der Tat zu diesen Abweichungen? Diese Fragestellung scheint uns bei Asmussen außer acht gelassen worden zu sein, und doch ist sie die Kernfrage in der Diskussion um die Unterscheidungslehren.

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