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WIENER AUTOSALON 1954

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„Verzeihen Sie mir, daß ich schimpfe. Ich tue dies nicht aus Bosheit, sondern aus Erbitterung. Und wer möchte sich nicht aufregen über diesen sündhaften Luxus und erst über den noch sündhafteren Leichtsinn der Besitzer solcher selbstfahrender Ungeheuer oder, deutlicher gesagt, Automobile? Diese moderne Seuche traf uns so unverhofft, wie vor 1000 Jahren die Heuschrecken in Aegypten einfielen.“ Herr Josef Hak legte den Federkiel aus der Hand. Er war mit sich und seinem Sonntagsfeuilleton zufriedener als mit der Welt des Fortschritts.

Seither sind noch nicht 50 Jahre vergangen. „Das Schwert“, jenes enragierte Blättchen, das, bereit, eine Mission zu erfüllen, sich dem Kampf gegen den Automobilismus verschrieben hatte, existiert nicht mehr; es ist am Widerstand seiner der „modernen Seuche“ verfallenen Leserschaft gescheitert. Auch Josef Hak ist trotz der zunehmenden Motorisierung inzwischen eines natürlichen Todes gestorben. Aber das Auto lebt! Ueber seine Existenzberechtigung gibt es keine Diskussionen mehr. Aus dem „selbstfahrenden Ungeheuer" ist in wenigen Jahrzehnten ein wichtiges Konsumgut geworden, das aus unserem Wirtschaftsleben nicht mehr wegzudenken ist.

Das Automobil fuhr mit der Zeit. Es wurde von Jahr zu Jahr schöner, besser und stärker, manchmal auch größer, in der Regel aber zweckentsprechender — und unentbehrlich. Und in Amerika hat sogar schon die Zukunft begonnen: Tn den USA, wo jeder vierte Einwohner, Greise und Säuglinge mit eingerechnet, Autobesitzer ist, baut man bereits „dream cars“ — Traumwagen aus Plastik, Stahl oder Fiberglas. Doch bleiben wir auf der Erde: in Oesterreich.

Die Motorisierung unseres Landes hat in den letzten Jahren entscheidende Fortschritte gemacht. 1931 standen erst 88.000 Kraftfahrzeuge im Verkehr, im Jahre 1948 waren es schon fast 200.000. Heute nähern wir uns einem Bestand von 400.000 Einheiten. Die Zahl der Personenkraftwagen ist im selben Zeitraum von 17.000 auf schätzungsweise 70.000 gestiegen. Die Zulassungskurve steigt weiter an. Noch steiler verläuft sie bei den Motorrädern und Rollern, die auch in

Oesterreich starke Verbreitung gefunden haben. Mit rund 200.000 Krafträdern — auf eines entfallen zirka 35 Einwohner — rangieren wir an dritter Stelle hinter Schweden und der deutschen Bundesrepublik.

Diese Tatsachen dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß unsere Motorisierung noch in den Kinderschuhen’ steckt. Die benachbarten Staaten haben uns, in richtiger Einschätzung des Wertes des Kraftfahrzeugs für die Volkswirtschaft, weit überflügelt. Nach einer Mitteilung des Oester- reichischen Instituts für Wirtschaftsforschung wurde im Jahre 1953 hierzulande ein Fahrzeug pro 900 Einwohner neu zugelassen, in der Schweiz und in Westdeutschland hingegen schon je 60 bzw. 220 Einwohner. Di« Diskrepanz ist offensichtlich und für den Kenner der Verhältnisse beinahe bestürzend. Bis vor kurzem wurde in Oesterreich auch wenig getan, um dem Kraftfahrzeug jene Popularität zu sichern und jene Möglichkeiten zu erschließen, auf die es dank seiner Bedeutung für die Allgemeinheit Anspruch hat. Im Gegenteil, was heute einfach unentbehrlich ist, wurde in grober Verkennung der Tatsachen als „Luxus“ erklärt.

Diese wirtschaftsfremde Einstellung wurde vor Monatsfrist grundlegend revidiert. Mit 1. Jänner 1954 hat Oesterreich, teils gezwungen, zum Teil auch freiwillig, die Einfuhr von Personenkraftwagen liberalisiert. Die als Folge der Liberalisierung notwendig gewordenen Preissenkungen schwanken, je nach Marke, zwischen vier und dreißig Prozent. Die relativ geringste Preisermäßigung ist bei den Kleinwagen zu verzeichnen; ein erfolgreicher Vorstoß zur Gewinnung nennenswerter neuer Käuferschichten scheint daher fraglich. Trotzdem dürfte eine Belebung der Umsätze in der Autobranche zu erwarten sein, da viele Besitzer gebrauchter Fahrzeuge die günstige Gelegenheit benützen werden, um ihren alten und unwirtschaftlichen Wagen gegen eine moderne Type einzutauschen. Die von Handelsminister DDDr. Udo 111 i g angekündigte Totalliberalisierung der Kraftfahrzeugimporte und die ebenfalls zur Diskussion stehende Herabsetzung der überhöhten Kfz.-Zölle werden der Motorisierung einen weiteren starken Auftrieb geben.

Unter solchen Aspekten kommt dem diesjährigen Wiener Autosalon auf der Wiener Frühjahrsmesse vom 14. bis 21. März, der auch Zweiräder enthalten wird, besondere Bedeutung zu. (Er ist aktuell wie noch nie!) Die auf einem Areal von rund 15.000 Quadratmeter in Großraumzelten untergebrachte Schau wird von über 200 Ausstellern aus zwölf Staaten beschickt sein. Insgesamt werden fast 200 Personenkraftwagentypen und mehr als 100 Motorrad- und Rollertypen gezeigt. Selbstverständlich sind auch die Erzeuger von Nutzfahrzeugen, die Reifen- und Zubehörindustrie, die Fahrrad- und Mopedhersteller vertreten. Folgende Tabelle gibt Aufschluß über die Beteiligung der einzelnen Staaten.

Die „Internationale Automobil- und Zweiradausstellung“ 1954 in Wien wird repräsentativ und imposant sein; sie wird auch dazu beitragen, das Interesse für das Kraftfahrzeug in breiten Schichten zu wecken oder noch zu steigern. Der Salon dürfte vor allem die Mittelklassen ansprechen, „die Menschen ohne Zeit und mit gezähltem Geld“.

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