7112810-1996_04_05.jpg
Digital In Arbeit

Manche operieren am Rande der Verzweiflung

Werbung
Werbung
Werbung

Am Donnerstag vergangener Woche erschütterte ein offener Brief von Gerhard Ruis von der IG Autoren (Interessengemeinschaft österreichischer Autorinnen und Autoren) und Heinz Lunzer, der Leiter der Dokumentationsstelle für neue österreichische Literatur, die rotweiß-rote Kulturlandschaft. Mehr als 300 kulturschaffende Institutionen haben den Brief unterzeichnet. Das Kulturbudget soll um 50 Prozent gekürzt werden. Kaum war der Brief im Finanzministerium angelangt, wollte man von einer 50prozentigen Kürzung nichts wissen. Eine 30 bis 40 prozentige Kürzung des provisorischen Budgetansatzes sei möglich.

Wilfried Seipel, Direktor des Kunsthistorischen Museums in Wien, sieht den Kürzungen mit Unmut entgegen. Da das Kulturbudget nicht mehr als 0,8 Prozent des Gesamtbudgets beträgt, hält er massive Einsparungen auf diesem Gebiet für nicht zielführend. Denn, so Seipel zur Furche, „dort, wo ohnedies nicht viel ist, soll auch nicht noch mehr genommen werden". Was eine solche Kulturpolitik für bereits etablierte, aber kleinere Institutionen bedeutet, die ein wesentlicher Bestandteil der Kulturnation Österreich sind, zeigt sich am Beispiel des Literaturhauses Salzburg, Eizenbergerhof. Tomas Friedmann, Leiter des Eizenbergerhofs, operiert am Rande der Verzweiflung. Bereits entworfene Verträge mit Autoren für ein Millenniumsprojekt mußten bereits auf Eis gelegt werden. Wäre auch nur von einer Bindung die Rede, stünde der Eizenbergerhof vor der Wahl, Kredite aufzunehmen oder sich für die Überziehung seiner Konten zu entscheiden, um sein Programm auf jenem Niveau fortführen zu können, das Publikum und Subventionsgeber erwarten. Das wiederum wäre eine Umverteilung von Steuergeldern in die Taschen der Banken.

Werner Würtinger von der Wiener Secession befürchtet aufgrund der Budgetsituation heftige Einbußen. Auch aus Solidarität mit anderen Kulturschaffenden habe er den offenen Brief unterzeichnet, denn, so Würtinger zur furche, „in so einer Zeit müssen alle zusammenhalten", die Existenz der österreichischen Kulturschaffenden dürfe nicht in Gefahr gebracht werden. Um die Existenz der „manuskripte", einer der wichtigsten Literaturzeitschriften Österreichs, bangt der Herausgeber und ehemalige Leiter des Forums Stadtpark, Alfred Kolleritsch. Das hieße, daß Österreich in Hinkunft auf jenes international anerkannte literarische Forum für junge Schriftsteller verzichten müßte, das Autoren wie Peter Hand-ke hervorgebracht hat.

Daß man allerdings sparen muß, ist keine Frage, aber dann am richtigen Platz. So war jüngst in einer Schweizer Tageszeitung von KD Wolff, dem Leiter des Stroemfeld Verlages in Frankfurt am Main, in bezug auf seine historisch-kritische Trakl-Ausgabe zu lesen: „So einfach, sachlich und engagiert ist noch keine Förderang für ein einziges Projekt in Deutschland zustande gekommen." Dies mutet wahrlich befremdend an, wenn man bedenkt, daß im österreichischen Otto Müller Verlag, der aufgrund seiner finanziellen Lage sein literarisches Programm wird einstellen müssen, seit 1969 eine ausgezeichnete Gesamtausgabe des Traklschen Werks existiert.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung