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Unsicherheit am Quai d’Orsay

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Seit dem tragischen Ausscheiden des Präsidenten Kennedy von der politischen Bühne fühlt man deutlich eine gewisse Unsicherheit am Quai d’Orsay. Die in regierungsnahen Kreisen in letzter Zeit oft formulierten Kontinuitätsbeteuerungen wirken forciert und nicht recht überzeugend.

Die Zeit für Gerüchte

Unter der Decke gehen Gerüchte um, Versuchsballons werden lanciert, Vermutungen als bare Münze präsentiert. So heißt es, daß für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen zwischen de Gaulle und Ludwig Erhard der Plan bestanden habe, den Vertrag von Rom nach seiner Liquidierung durch eine Serie von Handelsverträgen zwischen Frankreich und seinen bisherigen Partnern zu ersetzen. Ein anderes Gerücht will von einer baldigen Ablösung Hallsteins durch Pisani wissen, und ein bevorstehendes Treffen Erhards mit Chruschtschow wird bereits als beschlossene Tatsache verkündet; alle Einzelheiten dieser Begegnung seien, so behauptet „Le Nouveau Candide”, zwischen Schröder und Mikojan gelegentlich der Beisetzung Kennedys erörtert worden.

Inzwischen hat die gegenwärtig in Paris stattfindende Sitzung des europäischen Parlaments einen Aspekt der zwischen General de Gaulle und der Bonner Regierung bestehenden Meinungsunterschiede deutlich aufgezeigt: Während der Bundesaußenminister die Hoffnung aussprach, daß in naher Zukunft ein Vertrag über die multilaterale Nuklearwaffe unterzeichnet werden könnte, erklärte der Generalsekretär der UNR (Gaullistenpartei), Jacques Baumei, daß in den Augen der französischen Regierung eine multilaterale Nuklearwaffe „militärisch absurd, technisch nicht zu verteidigen und politisch nicht zu verwirklichen” sei. Der französische Staatschef ist. nach Ansicht der meisten Kommentatoren davon überzeugt, daß die deutsche und britische Regierung sich schließlich doch seine These zu eigen machen würden, die eine europäische Ver-

teidigung ohne jede Kontrolle der Vereinigten Staaten anstrebt.

Vorerst sieht man sich jedoch dem Tatbestand gegenübergestellt, daß die Zukunft der deutsch-französischen Beziehungen vom Nuklearproblem beschattet sein wird. „Keine französische Regierung”, so schreibt der ehemalige französische Botschafter in der Bundesrepublik, André François-Poncet, „wird ohne weiteres die französische Force de Frappe preisgeben. Keine deutsche Regierung wird auf den amerikapi- sehen Schiit verzichten

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