"Monologe ohne Debatte"

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In den Tagen vor Christi Himmelfahrt versammelte der Papst in Rom die Kardinäle. Wenig von den Beratungen der Purpurträger drang nach außen. Klar war, dass viele Teilnehmer offenere Diskussionsforen als die derzeitigen Bischofssynoden und Kardinalsversammlungen forderten. Und dass die Kardinäle das Treffen zum Kennenlernen nutzten.

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In den Tagen vor Christi Himmelfahrt versammelte der Papst in Rom die Kardinäle. Wenig von den Beratungen der Purpurträger drang nach außen. Klar war, dass viele Teilnehmer offenere Diskussionsforen als die derzeitigen Bischofssynoden und Kardinalsversammlungen forderten. Und dass die Kardinäle das Treffen zum Kennenlernen nutzten.

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Das sechste außerordentliche Konsistorium, das Papst Johannes Paul II. in der Vorwoche nach Rom gerufen hatte, glich der Form nach eher der Krisensitzung eines bedrängten Firmenvorstands als einem offenen Forum. "Es muss dem Papst auch möglich sein, mit uns allein zu sprechen", sagte der Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn zur Entschuldigung des merkwürdigen und selbst in der Kirche nicht üblichen Schweigens gegenüber der Presse. Das mediale Ergebnis der strengen Klausur spricht freilich gegen die Methode.

Was sich im Rückblick über die vier Tage der Kardinäle mit dem Papst sagen lässt, ist trotz aller Verschwiegenheit mehr als nichts. Klar ging aus den Wortmeldungen der 156 Teilnehmer hervor, dass sie die Form solcher Veranstaltungen nicht für besonders effizient halten.

"Monologe ohne Debatte und ohne Antwort", nannte der Kurienkardinal Achille Silvestrini die Methode der Synoden und wohl auch des Konsistoriums selbst.

Das Thema "Reform der Synoden" sollen neun von zehn Kardinälen angeschnitten haben, behauptet die Zeitung "Corriere della Sera". Laut und deutlich sprach es lediglich der belgische Kardinal Godfried Danneels an, der vor seiner vorzeitigen Abreise noch öffentlich seinen Unmut über die mangelnde Diskussionskultur in der Kirche deponierte. Trotzdem wird die kommende Bischofssynode im Herbst noch nach den alten Regeln ablaufen, sagte Kardinal Schönborn am Ende des Konsistoriums.

Trotz all dieser Wortmeldungen scheint es übertrieben, von Reformdruck oder gar -stau im Kardinalskollegium zu sprechen. Ein neuerliches Konzil wurde von gewichtigen Kardinälen abgelehnt. Noch sei das Zweite Vatikanum nicht verdaut, argumentierten Männer wie Danneels, Tettamanzi (Genua), Rogriguez Maradiaga (Honduras) oder der Kurienkardinal Castrillon Hoyos. Wozu also ein neues beginnen?

Die Erfahrungen mit der Reformeuphorie nach dem Konzil sitzt den Kardinälen offenbar noch in den Knochen. Die Forderungen nach jener Kollegialität unter den Bischöfen, die das Konzil in den sechziger Jahren gewünscht hatte, wurden im Plenum stets vorsichtig abgefedert mit dem diplomatischen Hinweis auf die Bedeutung des Petrusamts. Die Kardinäle scheinen um die Autorität des Papstes freilich mehr besorgt als dieser selbst. Mehrfach hatte Johannes Paul bereits seine Mitbrüder gebeten, Vorschläge für eine Revision der Ausübung des Leitungsamts in der Katholischen Kirche beizubringen, um auf diesem Wege die Ökumene zu erleichtern. Das Echo blieb verhalten.

Viel Lärm um nichts also? Misst man die Ergebnisse des Treffens mit den weltlichen Kriterien der Effizienz, sucht man nach Beschlüssen oder Konsequenzen, ist die Antwort: Ja. Doch Reformen von Kurie oder Gremien sind im Leben der Kirche nie das Wichtigste gewesen.

Immerhin gab das Treffen dem riesig angewachsenen Wahlkollegium der Kirche Gelegenheit zum gegenseitigen Kennenlernen und Abtasten von Positionen. Eine italienische Zeitung verglich die Versammlung gar mit einem "Konklave in Anwesenheit des Papstes".

Das "Ergebnis" liegt wohl eher im gemeinsamen Nachdenken über das zukunftsfrohe Apostolische Schreiben "Novo Millennio Ineunte", das der Papst zum Ende des Jubiläumsjahres 2000 publizert hatte und über das er mit seinen Kardinälen reden wollte.

Dort geht es nicht um Strukturen sondern um die Substanz des Glaubens. Der Text, in dem die Worte Angesicht, Geheimnis und Herz dominieren, eignet sich schlecht zur Grundlage einer Debatte für Kurienreformen. Eher schon führt er zu Themen, die dem Papst während seiner gesamten Regierungszeit wichtig waren: die Betonung der Heiligkeit im Alltag, die Bedeutung des Gebets und die Notwendigkeit, der modernen Zivilisation eigene, christliche Antworten entgegenzustellen.

Bessere Umgangsformen unter Christen erhöhen freilich die Glaubwürdigkeit. Schon der Name Konsistorium deutet an, dass der Spielraum für Verbesserungen nicht gerade klein ist. "Consistorium" nannte man in den Tagen des Kaisers Diokletian das respektvolle Umstehen des Imperators durch seine Berater.

Es fällt nicht schwer, sich reifere Formen der Zusammenarbeit unter Christen vorzustellen.

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