Pilgerreise - mit schwerem Gepäck

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Es war im Herbst 1987, als ich Joseph Ratzinger erstmals begegnet bin. Der heikle Waldheim-Besuch bei Papst Johannes Paul II. in Rom war eben absolviert - und der Bundespräsident hatte den hilfreichen Kardinal aus Bayern dankbar zu einem Wien-Besuch geladen. Beim Essen im kleinen Kreis geriet ich mit dem großen Theologen Ratzinger in eine Diskussion über die Welt- und Ortskirche - Hans Hermann Groër war eben Erzbischof von Wien geworden.

Zugegeben, es war ein ungleiches Gespräch, in das ich bestenfalls meinen Mut einbringen konnte. Ratzinger war ein enorm kenntnisreicher Rhetoriker. Ich bin nicht gerade als Sieger aus diesem Disput hervorgegangen.

"Papsttum bedeutet Kreuz"

Mehr als ein Jahr später brachte die Post ein Buch ins Haus: "Kirche, Ökumene und Politik". Absender und Autor: Joseph Ratzinger. Die Widmung lag bei: "Mit der Bitte um kritische Lektüre - J. R." Geschmeichelt vertiefte ich mich in J. R.'s Gedanken. Etwa: Wie ein Papst heute sein Amt erfüllen könne. Und: Wie sehr er zum Martyrium bereit sein müsse - denn "das Papstamt bedeutet Kreuz - und zwar das größte. Was könnte mehr mit dem Kreuz zu tun haben, als die Sorge und Verantwortung für alle Kirchen des Erdkreises?"

Viele Jahre verstrichen, ehe Joseph Ratzinger 2005 dieses Kreuz selbst übernahm - nach eigenen Worten "eine übermenschliche Last auf menschlichen Schultern". Die Belastungen, die inzwischen auf seinem Pontifikat liegen, sind bekannt. Es sind Bürden, die ihm das Amt, aber auch die vatikanische Bürokratie und wohl auch die eigene Persönlichkeit auferlegt haben. Was diese Last auf Benedikts Schultern zuletzt noch bedrückender gemacht hat, ist ein enormer Vertrauensverlust, genährt aus

* weitverbreiteter Enttäuschung, bis tief in katholische Kernschichten,

* medialer Häme - siehe die selektive bis bösartige Wahrnehmung der jüngsten Papst-Botschaften in Afrika zu Aids und Kondomen

* und aus massiven Polit-Zwängen als direkte Folge der jüngsten Peinlichkeiten.

Sie werden Benedikt kommende Woche auch auf seiner Nahost-Reise begleiten. Kühl kalkulieren Araber und Israelis die Zwänge, die ihren Gast seit seiner "Anti-Islam-Rede", seiner umstrittenen "Karfreitagsfürbitte" und dem Eklat um die antisemitischen "Pius-Brüder" verfolgen. Unter solchen Vorzeichen war an manche Geste (z. B. ein Besuch in Gaza) nicht mehr zu denken. Benedikts Nöte ließen sogar den lateinischen Patriarchen von Jerusalem um Verschiebung der Reise bitten. Ein unerfüllbarer Wunsch, denn jeder Aufschub wäre nur neuer Zündstoff gegenüber Muslimen und Juden.

Politische Klugheit gefordert

Ich blättere im Buch, das mir Ratzinger damals geschickt hat und lese, dass die eigentliche Bestimmung eines Papstes nicht in seiner politischen Klugheit liegt, sondern in der bedingungslosen, ja martyriums-bereiten Nachfolge Christi. Tatsächlich: Was Benedikt XVI. gerade im aufgeheizten Klima des "Hl. Landes" brauchen wird, sind überzeugende Botschaften des Herzens, die nicht moralisieren, politisieren oder gar polarisieren. Aber auch ein Mehr an politischer Klugheit wird zwischen den Fallstricken des Orients nicht schaden können.

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