Gipfelkreuz - © iStock/Leonsbox  Bärenstein (1077 m) im Mühlviertel

Über allen Gipfeln ist – ein Kreuz

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Wieder einmal gibt es eine „Kreuz-Debatte“. Diesmal entzündet sie sich an der Frage, ob Gipfelkreuze noch zeitgemäß sind. Das Thema taugt aber nicht für einen Kulturkampf.

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Wieder einmal gibt es eine „Kreuz-Debatte“. Diesmal entzündet sie sich an der Frage, ob Gipfelkreuze noch zeitgemäß sind. Das Thema taugt aber nicht für einen Kulturkampf.

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Kreuze bleiben anstößig. In Italien, Österreich und Süddeutschland ist soeben über Gipfelkreuze gestritten worden. Der Sprecher des Italienischen Alpenvereins meinte, Kreuze seien „nicht mehr zeitgemäß“, Berggipfel sollten „neutraler Boden“ sein. Bemerkenswert, dass sich der italienische Alpenverein um die weltanschauliche Neutralität der Berggipfel sorgt und sich eine besondere Kompetenz für religiöse Symbole in der Natur zuspricht.

Prompt ist die Debatte nach Tirol und Bayern hinübergeschwappt. Hier gab es aufgeregte Stimmen, die die christliche Kultur in den Bergen in Gefahr sahen und einen Angriff auf Lokaltraditionen witterten. Man werde die Kreuze auf den Berggipfeln verteidigen und sich einem Verbot, weitere aufzustellen, nicht fügen. Das Argument der Toleranz, das anders- und nichtgläubigen Touristen das religiöse Symbol des Kreuzes nicht mehr zuzumuten sei, lasse man nicht gelten, es sei vorgeschoben.

„Es kreuzelt allerorten“

In die Kreuzesdebatte hat sich auch der Extrem-Bergsteiger Reinhold Messner eingeschaltet und in der Bild-Zeitung nicht ohne ein Quäntchen Polemik geäußert: „Es kreuzelt allerorten.“ Neue Gipfelkreuze sollten heute keine mehr errichtet werden, er sehe darin eine problematische religiöse Machtdemonstration.

Allerdings weist Messner, der selbst bekennender Buddhist ist, Axt-Attacken auf Gipfelkreuze als barbarischen Vandalismus zurück. Tatsächlich gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Angriffe gegen Kreuze, die den Schweizer Schriftsteller Thomas Hürlimann zu der Äußerung veranlasst haben: „Wenn sie in meiner Innerschweizer Heimat die Kreuze von den Gipfeln holen wollen, gehe ich zusammen mit einigen Sennen in den hochalpinen Untergrund. Der Aggressor sei gewarnt. Wir kennen uns da oben aus.“

Bei aller aktuellen Erregung um die Gipfelkreuze: Das Thema taugt nicht zu einem Kulturkampf, auch nicht zu einem kleinen. Den Alpenvereinen geht es, wie sie zurückrudernd klargestellt haben, nicht darum, bestehende Gipfelkreuze zu schleifen, es sollen lediglich keine neuen mehr aufgestellt werden. Genauso sieht ihre Satzung vor, dass keine neuen Wege mehr erschlossen, keine weiteren Berghütten oder Raststationen mehr errichtet werden sollen. Man will die alpine Landschaft vor dem boomenden Tourismus schonen und ihre Integrität bewahren. Erst eine flächendeckende Demontage der Gipfelkreuze unter dem Vorwand, neutrale Verhältnisse zu schaffen, wäre ein bilderstürmerischer Akt der Alpenvereine gewesen und hätte zu Recht Protest erregt. Aber davon kann keine Rede sein.

Wenn die bisherigen Kreuze stehenbleiben und die Alpenvereine weiter für ihren Erhalt sorgen, ist das eine traditionssensible Lösung, die zugleich auf die Veränderung des religiösen Feldes reagiert. Denn wir leben inzwischen nicht mehr in christlich homogenen, sondern in religionspluralen Gesellschaften.

So kann es sein, dass die Markierung der Gipfel durch christliche Symbole von manchen als nicht mehr zeitgemäß, von anderen vielleicht sogar als anstößig empfunden wird. Wieder andere freuen sich, wenn sie sich nach einer langen und anstrengenden Tour das Ziel erreichen, das durch das Gipfelkreuz sichtbar markiert ist. Die besondere Nähe zum Himmel, die Weite des Blicks ist für sie Anlass, für die wunderbare Natur zu danken.

Schon religionsgeschichtlich betrachtet sind Berge besondere Orte. Sie ragen aus der Ebene hervor und schlagen eine Brücke zwischen Himmel und Erde. Ihre Gipfel werden als heilige Stätten betrachtet, an denen sich Theophanien, also Begegnungen zwischen Göttern und Menschen, ereignen können. Auch in der Bibel kommt den Bergen eine herausragende Stellung zu: Abraham hat im Land Morija auf einem Berg seinen einzigen Sohn Isaak opfern sollen, bevor ein Widder als Ersatzopfer dazwischenkam.

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