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Raketenstart der Konkurrenz

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10 MElionen Deutsche, 1,5 Millionen Österreicher — sie alle befinden sich derzeit auf Urlaub. Diese nur geschätzten Ziffern ergeben sich aus der Zahl der Reisenden, die von den Reisebüros für Bahn, Auto und Flugzeug von Anfang Juni bis Anfang September festgestellt werden. Es ist eine Flucht in die Berge oder auch nach dem Süden, die man fast mit der Völkerwanderung von einst vergleichen könnte. Und hinter den Kulissen — sowohl in der BRD als auch in Österreich — spielt sich ein Konkurrenzkampf um den Reisenden, um den Urlauber der nächsein Ferien ab, wie man ihn kaum je zuvor gekannt hat. Die Wintersaison ist so gut wie unter Dach und Fach. Die Zahl der miteinander konkurrierenden Länder ist zwar größer geworden, doch können nur die Alpenländer und einige Ostblockländer — CSSR und Polen — echte Wintersport- und Wintererholungsgebiete anbieten. So wird sich denn um den künftigen Sommergast ein ganz besonderer Konkurrenzkampf abspielen. Gert Kreyssig, einer der führenden deutschen Reisejournalisten, meinte vor nicht allzu langer Zeit in der „Süddeutschen Zeitung“, es werde sich für die siebziger Jahre eine „KansoliKÜerungspause“ ergeben. Aber nicht nur in der BRD, auch in Österreich trat genau das Gegenteil ein. Neue Stellen befassen sich mit neuen Reisen, neue Konkurrenzkämpfe werden erwartet. In Österreich sind wir noch nicht so weit, hier spielt ich bis jetzt noch alles in erträglichen Grenzen ab.Blickt man jedoch in das Nachbarland hinüber, kann man sich bereits vorstellen, was in nicht allzu ferner Zeit auch auf Österreich zukommen wird. Auch bei uns sind schon jetzt Flugreisen für 14 Tage — alles inklusive — weit in den Süden um 3000 bis 5000 Schilling zu haben. Derartige Unterangebote kommen aber nicht nur aus den typischen Fremdenverkehrsländern oder etwa aus den Ostblockstaaten. Sie stammen noch viel mehr von Organisationen, die in das Reisegeschäft drängten, von Reisebüros, von Kaufhäusern, von Gewerkschaften, die eigene Reisedienste aufzogen. Der Reiseverkehr wurde so zu einer Wachstumsbranche ersten Ranges. In der BRD trit in den letzten Jahren neben den schon als klassisch zu bezeichnenden Touropa-, Scharnow-und Hummel-Reisen nun auch der Kaufhof-Konzerm als Reiseunternehmen auf. Im Mai gab die Kaufhof A. G. zum erstenmal offiziell bekannt, daß sie „ihre geschäftlichen Aktivitäten durch Aufbau eines Reiseunternehmens“ erweitere. Nunmehr fordert die Kaufhof A. G. geradezu die Konkurrenz heraus, denn sie will nicht nur Qualität als primäres Ziel der Kaufhaus-Reisen bieten, sie will nicht nur irgendein weiterer Reiseveranstalter, sondern einfach „der beste“ werden. Etablierte Veranstalter lassen bereits prüfen, ob eine solche Kampfansage wettbewerbsrechtlich überhaupt zulässig ist.

Aber noch ein anderer Konkurrent trat 1970 auf den Plan: Das „GUT“(Gemeinwirtschaftliches Unternehmen für Touristik GmbH), mit dem sich die Gewerkschaften, wie die „Süddeutsche Zeitung“ meint, ein Stück vom Touristenkuchen abschneiden wollen. „GOT“ erreichte mit einem eher konventionellen als sensationellen Programm immerhin 125.000 Buchungen für diesen Sommer.

Zu all dem kommen nun auch noch die Banken, die nicht nur Geld für die Reisen umwechseln wollen, sondern ihrerseits Reisen veranstalten wollen. In großem Rahmen begonnen, arbeiten in der BRD die Volksbanken mit dem Neckermann-Konzern und dessen großer Reiseabteilung zusammen, Raiffeisen-kassen, Sparkassien und weitere Banken folgen. Die TUI (Touristic Union International) mit den Farmen Touropa, Scharnow, Hummel und Doktor Tigges — Spitzenreiter auf dem Kontinent — hat sich mit dem Zentralverband der Raiffeisen-Banken arrangiert. Mit zunächst 1000, im nächsten Jahr aber bereits 2000 Buchungsstellen soll nunmehr auch die Bevölkerung der kleinen Landstädte und kleinen Orte erfaßt werden, die bisher nur bis zu einem Fünftel an der Gesamtzahl der Reisenden beteiligt war. In Österreich hat nur die Volksbank Mürzzuschlag eine Art Test für diesen neuen Zweig des Bankgeschäftes in der Filiale Kindlberg gestartet, indem sie erstmals einen Kooperationsvertrag mit dem Reisebüro Denk in Graz äibschloß. Der Umsatz ist höher, als man erwartett hat, und vor allem der Reisebüropartner ist überrascht worden. Nach wie vor bleibt aber für Österreich die Konkurrenz durch billige Charterflüge bestehen. Ein Fremdenverkehrsfachmann meinte dazu: „Es werden immer mehr solcher billiger Flüge angeboten. Damit sind für uns viele Touristen, zumindest für ein Jahr, verloren.“ Man ist aber noch zufrieden: Die Steigerung im Fremdenverkehr beträgt gegenüber dem Vorjahr immerhin rund 20 bis 25 Prozent. G. M.

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