Tourismus am Schnittpunkt von Krise und Konkurrenz

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Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner initiiert eine neue Tourismusstrategie. Experten erwarten Bereinigungen, fordern mehr Qualität und weniger Bürokratie.

Österreichs Tourismus, wirtschaftlich stark aber politisch schwach, trotzt noch der Krise. Doch die Anzeichen sind kritisch, lassen eine Bereinigung in den Bereichen von hoher Kapazität und lediglich mittlerer Qualität erwarten. Konkurse seien nicht auszuschließen. Im Oktober beginnt die Debatte über die von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner angekündigte „neue Tourismusstrategie“. Die wird von Fachleuten, etwa vom Innsbrucker Tourismusberater Jakob Edinger, ausdrücklich begrüßt. Bereits im Frühjahr 2010 soll, so Mitterlehner, ein neues Konzept vor allem für koordiniertes Marketing stehen. Ein fälliger Schritt.

Bereits bei den Fachgesprächen der Touristiker beim Europäischen Forum Alpbach war klar, dass der heimische Tourismus die wirtschaftliche Flaute zu spüren bekommt. Mitterlehner präsentierte die aktuellen Zahlen: Zwischen Mai und Juli, also der Sommersaison, verringerten sich die Ankünfte um 3,3 Prozent auf 8,3 Millionen, ging die Anzahl der Nächtigungen um 5,2 Prozent auf 29,3 Millionen zurück. Die Tourismusumsätze sanken um 5,2 Prozent auf 5,2 Milliarden Euro. Damit ist die Krise in Österreichs Fremdenverkehrsbranche, die sich dennoch stabil hält, angekommen.

Neue Konkurrenz mit enormer Förderung

Der Gesundheits- und der Wellness-Tourismus haben Österreich in der internationalen Wettbewerbsfähigkeit als Destination enorm geholfen, Gäste und Umsätze gebracht, sagt Edinger. Er hat etwa den Wellness-Tempel „Der Steirerhof“ in Bad Waltersdorf nach einer Periode der Defizite übernommen und gemeinsam mit neuer Geschäftsleitung und Direktion zur Hochblüte geführt. Doch er erwartet nach dem geradezu flächendeckenden Ausbau in der Quantität nun eine Auslese in der Qualität, vor allem auf dem Gebiet des Gesundheitstourismus. Und die internationale Konkurrenz ist hart, wenngleich man sie in Österreich – zwangsläufig – nicht sieht.

„Vom Tourismus enorm abhängige Staaten wie etwa Marokko und die Türkei kämpfen mit ihren Regierungen um jeden Gast“, sagt Edinger. „Sie beziehen Fördermittel der Weltbank, die Betriebe haben aber nur ein Zehntel unserer Personalkosten.“ Auch aus den unmittelbaren Nachbarstaaten dräut Ungemach: „Slowenien, Ungarn und Kroatien kommen noch stärker als neue Konkurrenten hinzu, sie erhalten bis zu 40 Prozent ihrer Finanzierungen als EU-Förderung“, sagt Edinger. Als wäre das nicht schon genug an Krise und Konkurrenz, schalten sich neuerdings Diskonter in den Tourismus-Markt: Hofer, Aldi und Lidl bieten Ferien- und Schnuppertage in mittleren und guten Häusern um 30 Euro. Bei diesen Preisen ziehen auf der Stirn von Fachleuten tiefe Sorgenfalten auf.

„Die Zeiten des Wachstums sind vorbei, wir gehen in die Verdrängung“, meinte etwa Reinhard Mücke, Geschäftsführer der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank (ÖHT). Daher müssten jetzt die Betriebsgrößen optimiert, zu betriebswirtschaftlich „vernünftigen“ Einheiten entwickelt werden. Die Qualität seit weiterhin zu verbessern, das Wellness-Angebot zu halten. Doch gerade bei den öffentlichen großen Thermen seien es oft weniger die betriebswirtschaftlichen, sondern vielmehr die politischen Gründe, sie zu erhalten. Vorerst seien die Garantiemittel der ÖHT mit ihren vier Milliarden Euro erst zur Hälfte ausgeschöpft, müssten nach derzeitigem Stand der Dinge nicht erhöht werden.

Themen der neuen Strategie

Mit 30. Oktober soll jedenfalls die Arbeit für die neue Tourismus-Strategie beginnen. Debattiert wird in vier Arbeitskreisen: Infrastruktur, Marketing, Förderung und allgemeine Rahmenbedingungen. Die Touristiker setzen, wie Edinger bei einem Fachgespräch erläuterte, auf „praxis- und umsetzungsorientierte Lösungen“, etwa eine deutliche Flexibilisierung des Arbeitsrechtes. Es ist „etwas anachronistisch“, wenn Saisonarbeitskräfte für vier Monate quer durch Österreich umziehen oder für Tätigkeiten, die unverrichtet bleiben, keine ausländischen Arbeitskräfte ins Land dürfen. Mitterlehner hatte schon in Alpbach erklärt, der Mangel an Koordination in den Marketing- und Werbeaktivitäten von Bund, Ländern und Gemeinden sei störend. Bei gemeinsamer Abstimmung ließe sich höhere Präsenz und mehr Werbewirkung erzeugen.

Die Werbung ist tatsächlich nötig, denn sonst bleiben Gäste gerade in Zeiten der Krise aus. Wegen der Tourismusflaute erhöhte sich die Arbeitslosenrate in Spanien auf 18,5 Prozent, gingen die Gästezahlen in Asien und im Pazifikraum im zweistelligen Prozentbereich zurück.

Europa bleibe, da ist Edinger überzeugt, im globalen Wettbewerb ein „attraktives Reiseziel“, das habe mit seiner Geschichte und Kultur zu tun. Österreich habe mit Wellness und Gesundheitstourismus ein neues Angebot entwickelt, biete ein passendes Preis-Leistungs-Verhältnis und könne gegenüber Konkurrenten wie Frankreich und Italien seine „Pole-Position“ halten: „Österreich ist Synonym für hoch qualifizierten Erholungstourismus“. Die Erfolgsfaktoren dafür liegen, wie der langjährige Tourismus-Werber Helmut Zolles meint, in der „Software“. Das seien die Ausbildung des Personals und vor allem der Umgang mit den Gäste.

Die Politik hat auf die ersten Krisenzeichen im Tourismus bereits reagiert. Noch vor Beginn der Wintersaison sollen 15 Millionen Euro in die Werbung fließen, erhalten die Tourismusbetriebe einen zeitlichen Aufschub für Zinszahlungen. Alleine im Oktober beschert ihnen dies eine Entlastung von rund 30 Millionen Euro.

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