Sensation Seeker: Die Sucht nach dem Reiz
Die meisten Menschen scheuen das Risiko. Doch eine Minderheit ist regelrecht süchtig nach Verstößen, Exzess, illegalen Autorennen oder Sprüngen aus gewagter Höhe. Wie ticken diese Menschen?
Die meisten Menschen scheuen das Risiko. Doch eine Minderheit ist regelrecht süchtig nach Verstößen, Exzess, illegalen Autorennen oder Sprüngen aus gewagter Höhe. Wie ticken diese Menschen?
Schneller, höher, weiter. Für viele von ihnen wird die Jagd nach dem Abenteuer zum Lebensinhalt: „Sensation Seeker“ nennt die Wissenschaft Menschen, deren Bedürfnis nach aufregenden, neuartigen Erlebnissen und Erfahrungen unstillbar scheint. Der Begriff geht auf Marvin Zuckerman und seine Arbeiten in den 1960er Jahren zurück. Dem US-amerikanischen Psychologen zufolge lassen sich vier Typen unterscheiden: „Thrill und Adventure Seeker“ sind dem Glücksspiel oder Extremsportarten zugeneigt. „Experience Seeker“ streben etwa mittels Reisen nach Lebenserfahrungen, die über alles bisher Erlebte hinausgehen. Unkontrolliert, enthemmt oder gesetzeswidrig handeln die „Disinhibition Seeker“.
Sie zelebrieren den Exzess und neigen etwa zu illegalen Autorennen, Drogen und Alkohol. Und dann gibt es Menschen, die keine Langeweile ertragen und ständig äußere Reize brauchen, auch bezeichnet als „Boredom Susceptibility“. Doch was unterscheidet diese Menschen von anderen? Und nehmen wir nicht alle Risiken in Kauf? Der ultimative Kick „Tatsächlich muss jeder von uns täglich Risiken eingehen, um sein Leben erfolgreich zu bewältigen“, erklärt Psychologe Thomas Schaller aus Salzburg. „Ein Mensch, der jegliches Risiko vermeiden wollte, wäre nicht in der Lage, kleinste Entscheidungen zu treffen. Er könnte morgens das Bett nicht verlassen, geschweige denn ein Auto oder ein Flugzeug besteigen.
Sensation Seeker suchen das Risiko jedoch aktiv – und gehen dafür an ihre Grenzen.“ Manche betrügen ihren Partner oder brechen Gesetze, weil sie das Risiko reizt, erwischt zu werden. Andere setzen für den ultimativen Kick ihr Leben aufs Spiel: für den Sprung durch die Stratosphäre wie Felix Baumgartner, den Geschwindigkeitsrausch auf der Formel-1-Rennstrecke wie Niki Lauda, das exzesshafte Leben, das Falco einst führte. Für die Reise durchs Kriegsgebiet, die Spritztour auf dem Motorrad nach einer durchzechten Nacht, das Selfie am ungesicherten Abgrund des Grand Canyon. Einer internationalen Studie zufolge verunglückten zwischen 2011 und 2017 allein 259 Menschen durch Selfies, die zumeist an gefährlichen Orten aufgenommen wurden.
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