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Bnefe an den Herausgeber der furche

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Sehr geehrter Herr Herausgeber! Im „Querschnitt“ der „Furche“ Nr. 16 vom 18. April 1953 wurden die Ergebnisse von Nachprülungen des Arbeitsamtes bei stellenlosen Büroangestellten einer Betrachtung unterzogen. Die erschreckenden Resultate dieser Eignungsprülungen können niemanden überraschen, der die Verhältnisse aui diesem Gebiet auch nur einigermaßen kennt. In Oesterreich wurde seit jeher streng darauf geachtet, daß nur solche Personen ein Gewerbe ausüben dürlen, die im Besitze eines entsprechenden Belähigungsnachweises sind. Es wird daher niemandem einiallen, sich als An-| Streicher oder Tischler zu melden, und auch kein Handwerksmeister würde einen Mann ohne Nachweis des erlernten Gewerbes einstellen, zumal ein solches Beginnen auch vollkommen aussichtslos wäre — es sei denn als Hillsarbeiter. Anders bei Büroangestellten. Hier steht praktisch jedermann die Möglichkeit offen, „Angestellter“ zu werden. Keine Stelle erhebt Einspruch, wenn ein Firmeninhaber etwa einen seiner- Bekannten, der vielleicht gar keinen Beruf erlernt hat, als Angestellten einstellt. Wenn dieser „Angestellte“ nach einigen Jahren arbeitslos wird, meldet er sich beim Arbeitsamt für Angestellte zur Vermittlung und wird dann zu jenen gehören, die bei einer Nachprüfung „schlechtweg hoffnungslose Bildungsmängel“ aufweisen. Es läßt sich nicht bestreiten: der Beruf des Angestellten ist in Mißkredit geraten, und diese Entwicklung ist nicht von ungefähr gekommen. Seit 1918 hat jedes der parteimäßig ausgerichteten Regime, die seither einander ablösten, sein redlich Teil dazu beigetragen. Büroangestelltenposten in amtlichen, parteiamtlichen und von diesenbeeinflußten Unternehmen wurden stets als Versorgungsmöglichkeiten für Leute angesehen, deren Bildungsgrad und Fachwissen mit ihren Parteiverdiensten nicht Schritt halten konnten. Das Heer der minder- und mindest-qualifizierten Kräfte wurde auf diese Weise ständig vergrößert. Der Unfug' droht aber permanent zu werden. Wer hat beispielsweise schon gehört, daß es drei- oder sechsmonatige Kurse zur Heranbildung von Mechanikern, Schriftsetzern oder Tapezierern gibt? Für die Umerziehung zu Bürokräften gibt es so was! Zumindest bilden die Absolventen solcher Schnellkurse sich ein, hinlängliches Wissen für ihren Beruf erworben zu haben. Die Ergebnisse sehen darnach aus! Die Prüfungen bei den Arbeitsämtern sind gewiß sehr lobenswert, sie zeigen das redliche Bemühen, Ordnung in den Wirrwarr zu bringen. Nachschulungen sind zwar besser als nichts, doch man wird nicht fehlgehen, anzunehmen, daß auch nach diesen Kursen die Bildungslücken nicht wesentlich enger geworden sind. Wiclitiger wäre allerdings, das Uebel an der Wurzel auszumerzen und den ständigen Zuzug ungebildeter und für den Beruf nicht gründlich vorgebildeter Menschen zu unterbinden. Man schaffe feststehende Vorbedingungen, wie sie in anderen Berufszweigen selbstverständlich sind, Bedingungen, an die sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu hallen haben. Dies würde tür den Stand der Angestellten und letzten Endes für die gesamte Wirtschalt nur von Nutzen sein.

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