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Gleiche Pflicht, ungleicher Dienst

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Es gilt sowohl den rückläufigen Präsenzdienerzahlen gegenzusteuern wie die Ungleichbehandlung von Zivildienern zu beenden.

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Es gilt sowohl den rückläufigen Präsenzdienerzahlen gegenzusteuern wie die Ungleichbehandlung von Zivildienern zu beenden.

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Für die meisten 18jährigen bietet der Präsenzdienst Gelegenheit, den Anekdotenschatz um wertvolle Unikate anzureichern: In geselliger Runde hört man dann vom Spieß, der die Jungmänner bei Regelt, exerzieren ließ, vom offiziell nicht existierenden „Kotzen” oder Geschichten über 15-Kilometer-Märsche mit dem „Gaszuz” - in der Heeresterminologie „Schutzmaske” genannt. Trotz dieser teilweise heiteren Erlebnisse spricht die hohe Zahl der Zivildiener und die rückläufige der Präsenzdiener eine klare Sprache: Viele Jungmänner können sich sinnvollere acht Monate vorstellen. Doch aus sinnvolleren acht Monaten im Dienste des Staates werden für Zivildiener derzeit zwölf Monate. Um einerseits der Entwicklung rückläufiger Präsenzdienerzahlen gegenzusteuern, andererseits die zeitliche Ungleichbehandlung von Zivildienern zu beenden, und um letztlich das österreichische Bundesheer gleichzeitig auf eine NATO-Mit-gliedschaft vorzubereiten, erarbeiteten Mitarbeiter der Jungen ÖVP das Hattrick-Modell.

Von der JVP vorgedacht, erreichte die Idee einer allgemeinen Dienstpflicht eine größere Öffentlichkeit, als sich Klubobmann Andreas Khol in den „Salzburger Nachrichten” für die Einführung eines Solidaritätsdienstes aussprach. Er sieht die Zukunft des österreichischen Bundesheeres in einer „kleinen, rasch einsetzbaren, erstklassig ausgebildeten und ausgerüsteten Truppe von Berufssoldaten”. Ähnlich die JVP: Durch die Einführung der allgemeinen Dienstpflicht und weitreichende Verbesserungen beim Bundesheer, Einführung der Fünf-Tage-Woche, gesicherte Dienstfreistellung am Wochenende, Ausbau der Heimschläfergenehmigung und Urlaub auf Abruf, soll garantiert werden, daß sich etwa 25.000 Freiwillige finden (derzeit gibt es ungefähr 35.000 Wehrpflichtige), die sich bewußt für den Dienst mit der Waffe entscheiden. Daneben soll es als Alternative den Solidaritätsdienst geben. Bei den Freiwilligen Feuerwehren, beim Roten Kreuz, beim Katastrophenschutz oder der Entwicklungshilfe können jene Jugendlichen ihren sechsmonatigen Dienst leisten.

Die Kritik an dieser Idee kommt von zwei Seiten. Da gibt es die „Zuviel-” und die „Zuwenig-Kritiker”. Während einige sich für die Einbeziehung der Frauen aussprechen, glauben andere, daß Zwangsverpflichtete für soziale Institutionen mehr Fluch denn Segen seien.

Die Junge ÖVP dachte nie daran, die Frauen in den Solidaritätsdienst zwangsweise einzu-beziehen (Freiwilligen sollte natürlich die Möglichkeit offenstehen). Mehrere Gründe sprechen für diese Haltung. Frauen werden derzeit in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens benachteiligt, sodaß ein Aufholprozeß nicht zuerst bei den Pflichten eingeleitet werden soll. Auch die Tatsache, daß sich Frauen oft mit der Wahl Kind oder Karriere konfrontiert sehen, läßt es angebracht erscheinen, den Solidaritätsdienst nur für Männer einzuführen.

Die „Zuviel-Kritiker” verkennen, daß an eine Zwangsverpflichtung nie gedacht war. Die gleichberechtigte Alternative, Solidardienst oder Bundesheer, stellt nämlich keine Zwangsverpflichtung dar, sondern garantiert, daß die Attraktivität des jeweiligen Dienstes letztlich für die

Wahl ausschlaggebend sein wird.

Die andere Kategorie - die „Nie-mals-Kritiker” - sprechen sich einfach gegen diese Idee aus und holen mit ihren Argumenten weit aus. Einige fühlen sich an den Arbeitsdienst des Nationalsozialismus erinnert. Andere scheuen sich, die Idee anzudenken, da sie zwangsläufig die Vor- und Nachteile eines professionelleren Heeres abwägen und sich differenziert mit der ins Haus stehendeji NATO-Beitrittsent-scheidung beschäftigen müßten.

Dieser Vogel-Strauß-Politik ist jedoch nichts abzugewinnen. Österreich wird sich spätestens im Frühjahr, auf Basis des dann fertiggestellten sicherheitspolitischen Optionenberichtes, mit seinem Platz in der neuen europäischen Sicherheitsarchitektur auseinandersetzen müssen.

Die Junge ÖVP ist für einen Beitritt, nicht zuletzt deshalb, um in einem zusammenwachsenden Europa bei wichtigen sicherheitspolitischen Fragen nicht links liegen gelassen zu werden.

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