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Digital In Arbeit

Integration statt Ausgrenzung

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Die „Qualitätsentwicklung” und „Qualitätssicherung” sind Schlagworte, die sich in der privaten Wirtschaft schon lange etabliert haben. Diese Gedanken sind heute auch Anforderungen, die zunehmend in der Behindertenarbeit eingefordert werden. Qualität in der Arbeit mit Menschen ist ein Prozeß, der zwischen allen an dieser Arbeit Beteiligten immer wieder diskutiert, verändert und ausgehandelt werden muß. Ziel des Helios Ii-Meetings (siehe Kasten oben) in Feldkirch ist es, Vertreter der verschiedenen

Gruppierungen zusammenzubringen: Behinderte, in der Behindertenarbeit tätige Fachpersonen, Entscheidungsträger und Finanziers.

Helios II war ein umfangreiches und wohldotiertes Programm der EU mit zweierlei Zielrichtungen:

■ Vernetzung aller europäischen Behindertenorganisationen;

■ Informationsaustausch und Abglei-chung mit der Absicht, bestehende Kontakte zu erhalten und zu einer stärkeren Kooperation der Behindertenorganisationen zu kommen, mit dem Ziel einer geschlosseneren Politik aller Organisationen auf Europa-Ebene. Nicht zuletzt durch Helios gibt es jetzt in Europa eine wichtige Strömung, nämlich unabhängig von den Standards der einzelnen Länder mehr „Verrechtlichung” zu bekommen. Der Großteil der Maßnahmen, die es für behinderte Menschen gibt, laufen in vielen Ländern immer noch in Anlehnung an eine „fast mittelalterliche Caritas”, das heißt, mehr „good-will” als Bechte.

In Anlehnung an das amerikanische ADA-Gesetz (Americans With Disabilities Act of 1990), in dem nicht nur ganz klar Bechte festgeschrieben sind, sondern auch ein Maßnahmenkatalog mit zeitlichen Limits, hat sich in Fkiropa eine Bewegung gebildet, die sich mancherorts bereits durchsetzt. So wurde in Deutschland im vergangenen Jahr die Änderung der Verfassung erreicht.

In Österreich liegt derzeit der „Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz” für eine Verfassungsnovelle dem

Verfassungsauschuß vor. Dieser lautet:

■ Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

■ Gesetzgebung und Vollziehung haben jedem behinderten Menschen die volle Entfaltung seiner Persönlichkeit durch Ausbildung, Arbeit und Teilnahme am politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben der Gemeinschaft durch konkrete Maßnahmen zu ermöglichen.

■ Die genannten Zielsetzungen sind in angemessenen Zeiträumen durch einfache gesetzliche Regelungen, die mit Sanktionen behaftet sind, zu verwirklichen.

■ Die Zielsetzungen werden insbesondere dadurch verwirklicht, daß Menschen mit Behinderung Anspruch haben auf:

frühe Hilfen, Erziehung und Bildung, Arbeit oder sinnvolle Beschäftigung, normale Wohn- und Freizeitmöglichkeiten, medizinische Versorgung und Pflege sowie eine aus Mitteln der Allgemeinheit geförderte Interessenvertretung.

Eduard Riha, Mitarbeiter der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR), einer Dachorganisation der österreichischen Behindertenverbände, ist optimistisch: „Über eine Verfassungsänderung kann in vielen Bereichen für behinderte Menschen mehr Druck gemacht werden. Ich könnte mir eine solche Novellierung noch heuer, spätestens in eineinhalb Jahren vorstellen, vorausgesetzt, daß alle Beteiligten sich auch wirklich bemühen.”

Die Zielsetzung einer umfassenden Teilnahme am Arbeitsleben wird in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit sicher nicht leicht umzusetzen sein. Im Gegenteil, meint Riha, und: „Der Leistungsdruck seitens der Arbeitgeber bedeutet schon ein sehr hohes Maß an Selektion.

Außerdem kann der Arbeitgeber die Einstellungsverpflichtung durch eine Abschlagszahlung an den Ausgleichstaxfonds umgehen, was ihn letztlich um vieles billiger kommt als die Einstellung eines Rehinderten, den er möglicherweise sowieso gar nicht will.”

Was die Service- und Assistenzleistungen für behinderte Menschen betrifft, werden diese teilweise durch das Pflegegeld abgedeckt. Auch hier machen sich die Auswirkungen des „Sparpakets” bemerkbar. So gab es seit 1995 keine „Valorisierung” des Pflegegeldes mehr, was einen jährlichen Verlust bis zu 5.820 Schilling ausmachen kann.

Dazu kommen zusätzlich die Einbußen, die alle Staatsbürger beim Einkommen derzeit zur Kenntnis nehmen müssen. Zitat aus einem Brief einer europäischen Behindertenorganisation an die ÖAR: „... Auch auf einem weiteren Sektor, dem Kampf gegen die nationale Sparwut im Sozialbereich, die sich in fast allen EU-Ländern aufgrund der rigiden Konvergenzkriterien der europäischen Währungsunion ergeben haben, erscheint mir eine enge Kooperation äußerst sinnvoll. So wie die EU-Länder im Abbau von Sozialleistungen und gegebenenfalls sogar bei der Auflösung der sozialen t Sicherungssysteme mit großem Erfolg voneinander lernen -hier funktioniert die Europäische Union wirklich reibungslos - so können sich die Behindertenorganisationen gegenseitig in der Abwehr informieren und stützen ...”

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