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Konzept — etappenweise

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Ausschaltung der biologischen Aufgaben der Krankenversicherung aus ihrer finanziellen Verpflichtung und Übernahme derselben durch den Staat, Dezentralisation der Versicherungskörper im Staate und Zentralisierung derselben in den einzelnen Ländern und damit auch die Herstellung des gleichen Rechtszustandes für alle Kassenmitglicder unter ausgesprochener Berücksichtigung der sozial schwächer gestellten Schichten, womit an Verwaltungsaufgaben sehr viel erspart werden würde und auch eine volksnähere und mehr volksverbundene Institution an Stelle der derzeitigen Vielgestaltigkeit und Umständlichkeit treten könnte, so daß nicht die Ver-schreibung eines Togais um S 6.05, eines Medikaments, das tagtäglich in der Öffentlichkeit empfohlen wird und von dem der Patient selber auch noch 2 Schilling bezahlen muß, erst eine chefärztliche Genehmigung in Bregenz oder Innsbruck nötig hat, bevor es der Arzt am Arlberg oder im Walde im Sinne der ergangenen Weisungen abgeben kann. Die Belastung der Ärzteschaft mit der übermäßigen Verwal-tungsarbeit lähmt die Berufsfreude und die Bereitschaft zur Übernahme von mehr Verantwortung als unbedingt nötig. Tabak und Brot, Strom und Eisen, Gehälter der Staatsbeamten und Tätigkeit der Steuerämter sind allenthalben im Staat nach gleichen Normen ausgerichtet, nur das Gut der Gesundheit soll im Störungsfall in der kleinsten Gemeinde nach vier bis fünf verschiedenen Modalitäten und Stellen verwaltet und verrechnet werden. Die Stellungnahme gegen diese Zustände bedeutet indessen keineswegs die Bejahung des staatlichen Gesundheitsdienstes als solchen, sondern nur eine systematische Reorganisation und Reform der Krankenversicherung unter Berücksichtigung der strukturellen Veränderungen der Bevölkerung um mindestens 70 Prozent gegenüber jener Zeit, in der diese Institutionen geschaffen wurden.

Zeit und Umstände erscheinen noch nicht reif genug für so weittragende Entschlüsse zu Reformen, und die Not ist auch noch nicht groß genug, um all die Widerstände dagegen zu überwinden. Enttäuschend und bedenklich muß es jedoch wirken, daß sich die Auseinandersetzung zwischen Ärzteschaft und Sozialversicherung auch neuerdings nur auf eine Erhöhung der Gipfel der Tannen im unübersichtlichen Urwald dier Honorierungsarten in den einzelnen Ländern konzentriert, anstatt auf die Herstellung eines einwandfreien Rechts- und Vertragszustandes nach bald siebenjähriger Erlassung des ASVG oder aber auf eine mutige und entschlossene Novellierung desselben, nachdem die praktische Durchführung des Gesetzes bis heute als gescheitert angesehen werden muß.

Sinnvoll und konstruktiv für die gegenwärtige Situation erseheint zunächst wohl nur als erste Etappe eine Abklärung der Ausgangssituation für die Vertragsschließung durch die einwandfreie Herstellung der inneren Bilanzwahrheit der Ausweise der Sozialversieherungsträger, dann die Schaffung eines einheitlichen Hono-rierungssystems im Sinne des Fallpauschales mit ausgesprochener Erweiterung der Sonderleistungen, wobei ein zentraler Ausgleichsfonds nicht zu umgehen sein dürfte. Nur eine entsprechende Novellierung des § 342 (2) kann hierzu eine einwandfreie-Rechtsbasis bilden, wogegen eine Überwins- dung dieser Hochdruckskrise durch eine weitere Gewährung von Zuschlägen zu den Fallpauschalen wieder keine grundsätzliche Lösung wäre. Soll die Ärzteschaft wirklich wieder selber einen Beitrag zur weiteren Aufrechterhaltung eines gesetzwidrigen Zu-standes stellen? Sie soll vielmehr wenigstens auf dem Sektor der Honorierung in ihrem Stand homogene Verhältnisse schaffen und damit auch eine einwandfreie Ausgangsbasis für eine spätere Etappe in der Reform der Sozialversicherung, die zwangsmäßig kommen muß.

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