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Überfülle an Konstruktionen

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Eß hat nicht viel Sinn, außerhalb der Fachpresse auf die tausend Verbesserungen und Vorschläge einzugehen, die der ungeheure Apparat des deutschen Bauwesens erarbeitet hat und auf der „Constructa“ in Hannover zeigt. Wichtiger, weil auf unsere Verhältnisse — vielleicht — anwendbar, 6ind allgemeine Feststellungen. Vor allem kann man aus der „Constructa“ die Lehre ziehen, daß eine Ausstellung von solchem Umfang kaum zweckmäßig ist. Den Laien ermüdet der Umfang, soweit er nkht Sensation bietet, der Fachmann lernt mehr aas den Veröffentlichungen. Tatsächlich ist die Ausstellung bisher schwach besucht (am Eröffnungstag betrug die Besucherzahl 1500 gegenüber dem Vierzigfachen bei der technischen Messe). Ferner ist festzustellen, daß das Hauptanliegen, der soziale Wohnbau, auch in Deutschland vorläufig bei den streotypen viergeschossigen Zeilen haltmacht und nichts prinzipiell Neues zeigt. Zwar wird im Plakat da6 herrliche Wohnen im Wohnhochhaus gepriesen, aber der weitaus größte Teil der in Deutschland sichtbaren Neubauten ist genau so wie bei uns, genau 6o wie das Hitlersche Neubiedermeier; auch die Mustersiedlung in der Nähe der „Constructa* ist nicht anders. Diese Absage an

Le Corbusier, an die „neue Wohnform“ ist, weil sie Richtung in richtungsloser Zeit herstellt, gewiß von Verdienst. Da jedoch die Entwicklung nicht stehenbleibt, da der Zeilenbau keine Verbilligung gebracht hat, 6o müßte eine solche Ausstellung eigentlich Anlaß sein, auch andere Hausformen durch-zuexerzieren. In Richtung des hohen Wohnblocks oder des Wohnturms, den man im Stadtbild zumindest als Kontrastimotiv in den uferlosen Vierstockzeilen brauchen könnte, ist die Belehrung nur durch Photos der Amerikaner, Schweden und namentlich der Franzosen möglich. Die deutschen und österreichischen Bilder von Wohnbauten erwecken den Eindruck, als sei das Biedermeier von 1933 bis 1938 „das Wahre und Eine“. In Wirklichkeit sieht man in München, Düsseldorf, Hamburg gewaltige Hochbauten emporschießen, die eine Citybildung vorbereiten oder bereits geschaffen haben. Die Ausstellung aber verschweigt sie schamhaft oder stellt sie zumindest in die zweite Linie. Auch in Deutschland drücken 6ich Ideologien — altmodische wie moderne — im Bauwesen aus, so daß man geradezu elektrisiert ist, wenn die Halle „Städtebau“ auf die verständigste Weise das Schicksalhafte von Wohnbau und F i n a n-

z i e r u n g, Wohnbau und Bodenrecht und Bauordnung unter dem Motto „Parlamentarier aller Länder, vereinigt euch!“ — um die gesetzgeberischen Grundlagen zu schaffen — herausstellt. Hier sind Ansätze präzisen Denkens über das „Tragbare“ des Wohnbaus an Stelle des Schönredens im geldlosen Raum gemacht, die größt“ Beachtung verdienen.

Ähnlich wichtige und geduldige Gemeinschaftsarbeit, die die Verständigkeit des Bauens nach so viel Jahren de6 „individuellen Ausdrucks“, des „funktionalen Wohnstils“, der „Deutschheit“ oder „Landschaftsverbundenheit“, der schwedischen Werkgerechtigkeit und so fort an die gebührende Stelle rücken, ist im Konstruktiven geleistet. Zwar kommt man ein wenig konfus au6 der Halle „ABC des Bauens“ und weiß nicht recht, ob die Dutzende Fertigteildecken, Leichtbalken, Hohlsteine, Isoliermatten gleichwertig 6ind, ob man mit Ziegeln, Zementsteinen, Gas- oder Schaumbetonsteinen mauern oder aber auf die eine oder andere Art „schütten“ soll. Wünschbar wäre, falls man in Österreich ähnliches versuchte, der auf gleicher Basis errechnete Preis oder die Aufzählung der Nachteile.

Wichtiger aber als alle diese Details ist die Gesamterscheinung der Stadtausstellung, die ungeheure Tatkraft, die ähnliches möglich macht. Hier kann man im Vergleich mit unseren Verhältnissen tief nachdenklich werden über das, was am Anfang zu sein hat: die „Tat“ oder das „Wort“. In Hannover ist zur Zeit nicht nur die Bauau6stellung, sondern auch die ausgezeichnet gemachte „Bun-des-Garten6diau“ zu sehen. Diese bietet die Ergänzung des ernsten konstruktiven norddeutschen Wesens, eine Farbenfreuuigkeit, Sinnlichkeit und Besinnlichkeit, Leichtigkeit der Gärten wie der Bauten, die einen — geradezu — holländischen Hoohstand de6 Gärtnerischen voraussetzt. Hunderttausende geschnittener Rosen vereinigen sich zu einem Bildteppich, konkurrieren um die schönste Form der Einzelblume, da6 züohteri6ch originellste Farbenspiel. Vereint mit dem Eindruck einer gewaltigen Bautätigkeit in der City wie am Stadtrand, fürchtet man fast, daß es der „Tat“ zuviel sein könnte, liebäugelt man beinahe mit dem österreichischen „Wort“.

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