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Der monarchische Prunk bringt jährlich 27 Millionen Touristen nach London. In England erfreut sich die Monarchie neuer Beliebtheit, auch bei der Jugend.

Der Tourismusdestination London wird dies nützen, ist Österreichs dortiger Botschafter Emil Brix überzeugt. Die britische Finanzmetropole, am 29. April Schauplatz der Jahrhundert-Hochzeit im Hause Windsor, ist 2012 Austragungsort der Olympischen Sommerspiele. Und übt sich derzeit darin, noch mehr als die üblichen Massen an Touristen zu bewältigen.

Die lediglich 15 Meter über dem Meeresspiegel liegende Stadt an der Themse wird, wohl auch wegen monarchisch-imperialen Prunks in Paraden und Palästen, jährlich von 27 Millionen Touristen besucht. Das letzte Wochenende im April, wenn Prinz William seine Kate Middleton in Westminster Abbey vor den Traualtar führt, wird mehr als die üblichen 500.000 Besucher, nämlich 600.000 zusätzliche Gäste zu verzeichnen haben, schätzt das dortige Tourismusbüro "Visit London“. Die Mehreinnahmen für Hoteliers und Gastwirte werden auf 57,5 Millionen Euro geschätzt. Bei so vielen Gästen ist Kreativität nötig. Einer der 200 städtischen Parks, wenige Kilometer vom Zentrum entfernt, wird für das Hochzeitswochenende zum "Camp Royale“: 10.000 Touristen sollen dort ihr Lager aufschlagen, Messe und Hochzeitszug auf Bildschirmen verfolgen. Die Einheimischen, so befürchtet die Regierung, überlassen ihnen den Platz nur zu gerne. Sie haben frei.

Die Regierung hat den Tag der Hochzeit zum Feiertag erklärt, sagt Botschafter Brix. Viele Briten werden das lange Wochenende "ganz pragmatisch“ für Kurzurlaube nutzen. Dies sei eher ein Ausdruck der auch für Österreich erfreulichen Reiselust der Briten als eine Ablehnung königlicher "pomp and circumstances“, die noch immer Stolz auslösen (siehe Interview rechts). Zudem seien im Land bisher 2.000 Straßenfeste angemeldet worden. Sogar Premierminister David Cameron organisiert mit seiner Frau ein Straßenfest vor Downing Street 10.

Die Regierung hofft auf Partylaune

Mit der Aufforderung, "Holt die Girlanden raus“ ermutigte Cameron die Landsleute, die Hochzeit auf der Straße zu feiern. Sie sollten sich nicht von den beklagten bürokratischen Schikanen - Genehmigung, Antrag auf Straßensperre, Versicherung - entmutigen lassen, schrieb Cameron in der Sun: Wer feiern wolle, solle "das einfach machen“. Er hat Übung darin: Während 1981 Jungfunktionäre der Labour-Partei vor der Hochzeit von Prinz Charles mit Lady Diana über den Ärmelkanal nach Frankreich flohen, kampierte der damals 24 Jahre alte Konservative auf der Londoner Prachtstraße The Mall, um tags darauf das Paar sehen zu können. Cameron käme heuer eine tolle Partystimmung gelegen, aber es ist gut möglich, dass die politische Rechnung des Premiers nicht aufgeht.

Botschafter Brix zur Hochzeitsstimmung im Land: "Ob die Hochzeit der Regierung angesichts massiver Kürzungen von Sozialleistungen den erwünschten ‚Wohlfühlfaktor‘ in der Bevölkerung bringt, wird man sehen.“ Und weiter, im FURCHE-Interview: "Radikale Demonstranten gegen die Sozial- und Wirtschaftspolitik der Regierung haben jedenfalls bereits angekündigt, dass sie diesen Tag weltweiter medialer Aufmerksamkeit für Aktionen nutzen wollen.“

Deren Rechnung könnte aufgehen, denn die Medien sind auf die Hochzeit und Berichterstattung aus London vorbereitet.

Etwa 8.000 Journalisten werden von dem Ereignis der Trauung berichten. Die BBC hat 400 Mitarbeiter am Ort im Einsatz, aus der Kölner RTL-Zentrale etwa werden 55 Mitarbeiter nach London geschickt. Eine TV-Produktion der BBC zur Hochzeit wurde bereits an 32 Länder verkauft. Bis zu zwei Milliarden Menschen werden weltweit zusehen, wenn die Zeremonie übertragen wird. Alleine im TV-Programm des ORF befassen sich, abseits von Nachrichten und Direktübertragungen, sieben Sendungsformate mit der Hochzeit. Begleitende Randale sind angekündigt: 1.500 Aktivisten demonstrierten heuer wiederholt in London. Sie erwarten Ende April bis zu 40.000 Sympathisanten, um die Feierlichkeiten zu attackieren. Die Polizei wird ihnen die Verständigung schwer machen und möglicherweise das Mobilfunknetz zwischen Westminster Abbey und Buckingham Palace abstellen.

Aufmerksamkeit ist dem Brautpaar nicht nur am Tag der Hochzeit gewiss. Die Windsors sind nicht nur ein vom Boulevard geschätzter Gegenstand der großer Aufmachung, wie der Kurier-Redakteur Konrad Kramar, der regelmäßig aus Großbritannien berichtet, erklärt (siehe unten). Die Großmutter des Bräutigams, Königin Elisabeth II., spielte in 23 Kinofilmen eine mehr oder minder große Rolle. Ihr Sohn, Prinz Charles, Vater des Bräutigams, besuchte etwa im Jahr 2008 insgesamt 560 offizielle Termine. Brix über das bevorstehende Eheleben von Prinz William und Kate Middleton: "Beide werden ihr gesamtes künftiges Leben unter ständiger Beobachtung aller Gesellschaftsjournalisten dieser Welt verbringen. Die permanente Öffentlichkeit ist sicherlich keine positive Voraussetzung für eine glückliche Ehe.“ Tatsächlich haben bei den Windsors Ehen kaum mehr als zehn Jahre lang Bestand. Die anglikanische Kirche von England hat daher für die beiden Brautleute ein Treuegebet veröffentlicht. Die katholische Kirche, mit der Heinrich VIII. im 16. Jahrhundert gebrochen hat, erbittet für das Paar die nötige Stärke, damit es dem Land zu dienen vermag. Inzwischen wartet darauf eine neue Generation, wie Kramar berichtet.

Auch die Königlichen, die Royals, müssten sich ein wenig modern und umgänglich geben, doch ein Monarch zum Anfassen "ist nichts für die Briten, selbst wenn sie nicht Mitglieder verzopfter Herrenclubs sind“, meint Kramar. Es scheine vielmehr, als hätte sich Englands jüngere, liberale Generation, die lange nichts mit Geburtstagen und Thronreden von Königinnen anfangen konnte, eine "neue Art von Liebe für die Royals zurechtgezimmert“. Wie Botschafter Brix sieht auch der Journalist Kramar dahinter die Lebensleistung von Königin Elisabeth II.: "Die Erinnerung an das junge Mädchen, das einst gemeinsam mit Londonern die Bombennächte des Zweiten Weltkriegs ertrug, verblasst. Längst abgelöst von einer im Alter zunehmend entrückten Figur, die die Rituale des Königsthrons wie eine mühlsteinschwere Pflicht absolviert. Das verleiht ihr eine steinerne Größe, an der selbst bösartiger britischer Humor zerschellt.“

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