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Die Mediatisierten

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Die politische und gesellschaftliche Stellung der Mediatisierten 1815 bis 1918. Ein Beitrag zur deutschen Sozialgeschichte. Von Heinz Gollwitzer. Vorwerk-Verlag, Stuttgart, und Verlag für Geschichte und Politik, Wien, Preis 15 DM.

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Die politische und gesellschaftliche Stellung der Mediatisierten 1815 bis 1918. Ein Beitrag zur deutschen Sozialgeschichte. Von Heinz Gollwitzer. Vorwerk-Verlag, Stuttgart, und Verlag für Geschichte und Politik, Wien, Preis 15 DM.

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Die erschöpfenden Untertitel des Buches geben das Thema an. Es ging dem Autor darum, die sozial-geschichtliche Entwicklung einer einzigartigen Gruppe von Familie zu verfolgen. Das Objekt seiner Untersuchung sind jene Familien, die 1806 reichsständisch waren wie die größten deutschen Dynastien auch, die aber bei der Auflösung des Reiches oder hernach bei der Begründung des Deutschen Bundes zu privilegierten Untertanen der deutschen Bundesstaaten wurden. Diese Entwicklung wird verfolgt bis zu dem Moment, wo der deutsche Adel als öffentlich-rechtliche Institution (gewiß nicht als soziales Element) zu bestehen aufgehört hat. Da ein Beitrag zur deutschen Sozialgeschichte gegeben werden soll, ergibt sich eine weitere Beschränkung. Das Leben jener Häuser, die in der Oesterreichischen Monarchie ihre eigentliche Heimat hatten, wird nur im Vorübergehen behandelt — insbesondere für die Zeit nach dem Ausscheiden Oesterreichs aus Deutschland.

Diese Unterscheidung ist teilweise historisch wohl berechtigt. Es besteht ein tatsächlicher Unterschied zwischen den Häusern, deren historische Rolle, eben in der deutschen Landeshoheit bestand — und den großen österreichischen Familien, denen aus politischen Gründen ein Stimmrecht im Reiche verschafft wurde. Immerhin weiß der Autor wohl, daß (gerade in den Augen der Mediatisierten!) nach 1866 Oesterreich mehr denn Deutschland als Traditionsträger des alten Reiches erschien. Niemand wird verlangen, daß man eine [...] flüssige Erzählung aus den Schicksalsjahren von zwei Dutzend Familien mache, deren Eigenart eben darin bestand, daß sich jede für verpflichtet hielt, auch ferner ein eigenes politisches Element darzustellen. Vielmehr muß man dem Autor gerade für die Fülle des Stoffes danken, die es allerdings nur dem aufmerksamen Leser erlaubt, das Buch mit Genuß zu' lesen. Auch wird ihm niemand verargen, wenn in solcher Ueberfülle von Daten manchmal ein Lapsus vorkommt. (Beispiel: Fürst Lobkowitz war nicht Obertsburggraf, S. 220, sondern Oberstlandmarschall.)

Es ist dem Autor hoch anzurechnen, daß er — der doch gewiß auf Leser aus dem besprochenen Kreise rechnet — alles andere als einen Panegyrikus verfaßt hat. Im Gegenteil! Man hat den Eindruck, als ob er nur allzu kritisch wäre. Oft scheint es, als ob er auf ein bloßes Nichtverstehen, auf ein bloßes Nichtlernenkönnen zurückführte, was durchaus wohlverstandene, wohlüberlegte Gegnerschaft gegen historische Geschehnisse und Entwicklungen ist. — Doch dies sind Fragen von Nuancen der Beurteilung. Im ganzen ist Gollwitzers Buch ein hochwillkommenes, wertvolles Nachschlagewerk; für die Geschichte der beteiligten Länder ist es in vielfacher Weise zu benützen.

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