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Die stillen osterreicher

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Die Gesellschaft der Freunde der österreichischen Nationalbibliothek wird demnächst in englischer Sprache ein Buch herausbringen, das eine Lücke in der historischen Literatur unseres Landes füllt. Mehr noch: Dieses Werk hat alle Chancen, den österreichischen Sprachschatz um einen neuen Ausdruck zu bereichern, indem es der Öffentlichkeit den „stillen Österreicher“ präsentiert.

Wilder Spaulding, langjähriger Leiter der Kulturabteilung an der amerikanischen Botschaft in Wien, hat nach der Rückkehr in seine Heimat die Geschichte jener Österreicher geschrieben, die in die Vereinigten Staaten ausgewandert sind; die Geschichte der „quiet invaders“, der stillen Einwanderer.

Im Gegensatz zu Iren, Italienern, Polen, Deutschen und anderen Volksgruppen, die bis heute alljährlich ihren St.-Patricks-, Columbus-, Koscinszko- oder Steuben-Tag begehen und nationale Lobbies darstellen, an denen kein amerikanischer Politiker vor, während und nach einer Wahl vorübergehen kann, waren die österreichischen Einwanderer fast so zahlreich, aber auch so unauffällig wie der sprichwörtliche Sand am Meer. Es war nicht politischer Opportunismus allein, der die Österreicher bewog, stille Einwanderer zu bleiben, obwohl es im 19. Jahrhundert zweifellos populärer war, ein dem „habsburgischen Völkerkerker“ entronnener Pole, Magyare, Kroate oder Italiener zu sein„ als ein die „Kerkermeister“ repräsentierender Österreicher. Auch der Umstand, daß die Statistiker der amerikanischen Einwanderungsbehörde bis zum Jahre 1918 mit der Frage, wer nun eigentlich als „Österreicher“ im engeren Sinne zu gelten habe, nie fertiggeworden sind, bietet noch keine ausreichende Erklärung. Entscheidend war vielmehr — und darauf weist Spaulding mit klugen Worten und ebenso klug gewählten Zitaten hin —, daß die Österreicher keine Nationalisten waren, daß sie übernational und universal dachten und empfanden und deshalb zwar als gute, aber stille Patrioten in die neue Welt kamen.

Die Geschichte der österreichischen Einwanderung in die Vereinigten Staaten läßt sich in vier große Abschnitte gliedern, deren Titel lauten: Glaubensnot, politische Not, wirtschaftliche Not und rassische Not. Den Protestanten, die im 17. und

18. Jahrhundert aus religiösen Gründen ihre Heimat verließen, folgte im

19. Jahrhundert zunächst die kleine, aber qualitativ bedeutende Gruppe politischer Emigranten, der „Forty-eighter“, der Revolutionäre des Jahres 1848. Fast ein Jahrhundert lang war dann die österreichische Einwanderung in die USA vorwiegend von wirtschaftlichen Motiven bestimmt. Mit dem „Anschluß“ kamen schließlich die „Thirtyeigh-ters“ nach Amerika, eine Gruppe von Einwanderern, die auf das Kultur-und Wirtschaftsleben ihrer neuen Heimat einen größeren Einfluß ausübte als alle österreichischen Emigranten der vorangegangenen Jahrhunderte.

Indem Spaulding im ersten Teil seines Buches diese historische Entwicklung der österreichischen Emigration behandelt, gibt er zugleich einen interessanten Überblick über die Geschichte der österreichischamerikanischen Beziehungen. Auch sie gliedert sich in vier Abschnitte: Nichtverstehen führte zur Feindschaft, aus allmählichem gegenseitigem Verstehen erwuchs schließlich Freundschaft.

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