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Die Zukunft der Donauvölker

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Den Donauraum mit sinr vielfälligen Vermischung von Völkarn und Volkssplillern In Nationalstaaten aufgliedern zu wollen, ist so unmöglich wie dl Quadratur das Zirkels. Je mehr ich über diese Frag nachgedacht hob, um so klarer ist es mir geworden, dafj Frieden und Wohlstand aller dieser Völker zwischen Tirol und der Bukowina, zwischen dem Banat und dem Sudelenland nur In einer Wiederzusammenfassung der alten historischen Einheil gewährleistet sein kann. Man braucht mir nicht zu sogen, daß niemand zweimal in den gleichen Fluß steigt; Ich weif), daß es nicht genügt, einfach das Alle übernehmen zu wollen. Unterdrückung, Bevormundung, Uebervorteilung und Ausbeutung sind leicht durch eine weitgehende Autonomie, sei es nach dem Vorbild der Schweiz oder eines anderen Bundesstaates oder in Anknüpfung an die Föderationspläne Seiner Majestät Kaiser und König Karls, die In der Revolution von 1918 untergingen, zu verhindern. Man braucht in Verwaltung, Schul- und Wlrlschallsgesetzen nur nach dem bewährten Grundsatz der Kinderstube zu verfahren: Du teilst, und ich suche mir mein Stück aus. So kann keiner zu kurz kommen, weil keiner an einer Gesetzgebung Interesse hat, die im „Nachbarkanton' seine Volksgenossen benachteiligen würde.

Die Zwischenkriegszelt und der Krieg selbst haben uns gezeigt, wie verhängnisvoll sich die Existenz der Kleinstaaten Im Donauraum und auf dem Balkan ausgewirkt hat, die von den Großmächten wie Schachfiguren hin und her geschoben wurden und durch Ihre gegenseitige Feindschaft diese Großmachtpolitik, wenn nicht herausforderten, so doch begünstigten. Die Wiederherstellung eines großen Staates, etwa vom Umfang und in den Grenzen des österreichisch-ungarischen Reiches, würde den stabilisierenden Faktor schaffen, als der Oesterreich-Ungarn von allen großen europäischen Staatsmännern des 19. Jahrhunderts erkannt und anerkannt worden ist.

Nicht zuletzt von Fürst Bismarck. Der deulsehe Reichskanzler hat sich In elnam Gespräch mit dem ungarischen Dichter Maurus Jokay am 27. Februar 1BB7 ausführlieh darüber geäußert: „Es Ist nötig, daß in Mitteleuropa ein solcher konsolidierter Staat bestehe wie die österreichisch-ungarische Monarchie, Das sah Ich sehon ein, als ich im Jahre 1866 mich beeilte, Frieden zu sehließen, was vielen unserer Freunde nicht zusagte, Die Errichtung von kleinen Nationalstaaten im Osten Europas Ist unmöglich, es sind bloß historische Staaten möglieh.“ Wenn Bismarck damals nur den Deutschen und den Magyaren „administratives Talent und staatsmännische Kenntnisse“ zusprechen wollte, den anderen Nationalitäten aber lediglich gute soldatische Eigenschaften, so wird man dieses Urleil heute zu revidieren haben, ohne daß damit die Wahrheit des Grundgedankens geschmälert wird, den ja auch der bedeutende tschechische Historiker, F, Palacky, In seinem vielzitierten Wort Ausdruck gegeben hat: „Wenn Oesterreich nicht bestünde, so müßte man es erfinden.“ Für Bismarck war es selbstverständlich, daß an der Spitze des historischen Relehes das historische Herrschergeschlecht der Habsburger zu stehen habe, Vielleicht heißt es der Zukunft zu weit vorgreifen, wenn man sieh heule auch über diese Frage schon den Kopf zerbricht. Aber es ist mindestens naheliegend, daß die Einheil dieses all-neuen Staates am besten verwirklicht werden könnte, wenn das Staatsoberhaupt von vornherein dem Streit der Nationalitäten entzogen wird. Ich würde mich glücklieh schätzen, wenn ich an der Spitze eines aus den Völkern der Donaustaaten bestehenden mächtigen und glücklichen Staatenbundes den rechtsmäßigen Erben der Dynastie Habsburg sehen würde.

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