Arndt - © Foto: picturedesk.com / dpa-Zentralbild/dpa / Stefan Sauer

„Was ist des Deutschen Vaterland?“

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Das Werk des Nationalisten und Demokraten Ernst Moritz Arndt macht die Ambivalenz des Komplexes Volk, Nation und Staat in der Geschichte sichtbar.

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Das Werk des Nationalisten und Demokraten Ernst Moritz Arndt macht die Ambivalenz des Komplexes Volk, Nation und Staat in der Geschichte sichtbar.

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Im Gymnasiallesebuch „Aus dem Reich tum der Dichtung“ (1959) meiner Generation finden sich, unter der vagen Kapitelüberschrift „Romantik“, zwischen Fichtes „Reden an die deutsche Nation“, Schenkendorfs „Andreas Hofer“ und Körners „Auf dem Schlachtfelde von Aspern“ Sätze von Ernst Moritz Arndt: „Dieses Vaterland und diese Freiheit sind das Allerheiligste auf Erden, ein Schatz, der eine unendliche Liebe und Treue in sich verschließt, das edelste Gut, was ein guter Mensch auf Erden besitzt und zu besitzen begehrt.“ Nicht ausgewiesen, stammt diese Maxime aus dem „Katechismus für den teutschen Kriegs- und Wehrmann“, veröffentlicht im Jahr der Völkerschlacht bei Leipzig 1813.

In deutschsprachigen Lesebüchern bis 1945 hatte Arndts Kampflyrik aus den Befreiungskriegen großen Raum, voran das „Vaterlandslied“ mit den berühmten Anfangszeilen „Der Gott, der Eisen wachsen ließ, / der wollte keine Knechte.“ „Laßt brausen … laßt klingen … laßt wehen“ – Kriegsgesang, Trompeten, Fahnen – für das „heil’ge Vaterland“: „Wir wollen heute Mann für Mann / Mit Blut das Eisen röten, / Mit Henkerblut, Franzosenblut – / O süßer Tag der Rache!“ – „Wir siegen oder sterben hier / Den süßen Tod der Freien.“ Wer war dieser wortgewaltige, streitbare und umstrittene Publizist, Poet, Geschichtsprofessor im Spannungsfeld von völkischem Deutschnationalismus und Demokratie? Groß Schoritz auf Rügen, der Ort seiner Geburt (am 26. Dezember 1769), war mit Vorpommern seit 1648 schwedisch, bis 1815.

Ein Urgroßvater war schwedischer Offizier; der ursprünglich leibeigene Vater hatte sich emporgearbeitet und wurde wohlhabender Verwalter des Gutsherrn. Arndts „Versuch einer Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen“ (1803) sollte wegweisend für die Reformen des schwedischen Königs in seiner Heimat werden und den Freiherrn vom Stein beeindrucken. Stralsund, Greifswald, Jena waren die Stationen der Studienzeit; von der Theologie wandte er sich der Geschichte und Politik zu, für die er sich in Greifswald habilitierte. 1798/99 hatte Arndt seine „Reisen durch einen Teil Deutschlands, Ungarns, Italiens und Frankreichs“, durch das sicht
lich seinem Ende entgegengehende Alte Reich und das von der Französischen Revolution ergriffene Europa, unternommen und darüber in vier Bänden lesenswert berichtet.

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