Ich bin der Soldat, der bei ihnen schlief

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Die israelische Tageszeitung "Maariv" druckte den Offenen Brief eines israelischen Soldaten an einen Bewohner des Gazastreifens.

Hallo, während sich die Welt die Trümmer im Gazastreifen vor Augen führt, kehren Sie in Ihr Haus zurück. Es steht noch. Doch Sie wissen genau, dass jemand während Ihrer Abwesenheit in Ihrem Zuhause war. Dieser Jemand bin ich. Ich habe unzählige Stunden mit der Vorstellung verbracht, wie Sie reagieren, wenn Sie Ihr Haus betreten. Was Sie empfinden, wenn Sie feststellen, dass Soldaten der Israelischen Armee auf Ihren Matratzen geschlafen und Ihre Decken benutzt haben, um sich warm zu halten. Ich war mir sicher, dass es Ihnen Kummer bereitet und Sie traurig macht, und dass Sie die Verletzung eines so privaten Bereichs in Ihrem Leben durch diejenigen, die als Ihre Feinde betrachtet werden, mit Demütigung wahrnehmen. Ich bin überzeugt, dass Sie mir gegenüber einen hemmungslosen Hass empfinden und nicht den geringsten Wunsch hegen, zu hören, was ich zu sagen habe. Gleichzeitig ist es mir wichtig, meinen Gedanken Ausdruck zu verleihen, in der Hoffnung auf die geringe Chance, dass Sie mich trotz allem anhören werden. […]

"Ihr wirklicher Feind ist die Hamas!"

Trotz der Unordnung, die Sie bei sich zu Hause vorfanden, eine Unordnung, die bei der Durchsuchung nach Sprengstoff und Tunneln entstand (die wir in anderen Häusern auch tatsächlich fanden), möchte ich Sie wissen lassen, dass wir unser Bestes taten, um Ihr Eigentum mit Respekt zu behandeln. Als ich den Computertisch wegschob, habe ich die Kabel herausgezogen und ordentlich auf den Boden gelegt, so wie ich es mit meinem eigenen Computer gemacht hätte. […]

Ich nehme an, dass Sie intelligent und gebildet sind und es in Ihrem Haushalt Universitätsstudenten gibt. Ihre Kinder lernen Englisch und Sie haben Internetanschluss. Sie sind nicht blind; Sie wissen, was um Sie herum geschieht. Aus diesem Grund bin ich sicher, dass Ihnen bekannt ist, dass Raketen des Typs Qassam aus Ihrem Wohnviertel heraus auf Städte und Ortschaften in Israel abgefeuert wurden. Wie konnten Sie diese Bombardierungen beobachten und nicht vermuten, dass wir eines Tages sagen: "Genug!"? […]

Ich kann hören, wie Sie sagen: "Das bin ich nicht, das ist die Hamas." Meine Intuition sagt mir, dass Sie nicht zu ihren treuesten Anhängern gehören. Wenn Sie sich die traurige Realität vor Augen führen, in der Ihr Volk lebt, und wenn Sie dabei versuchen, sich nichts vorzumachen oder Ausreden für eine "Besatzung" zu finden, müssten Sie zu der Schlussfolgerung gelangen, dass Ihr wirklicher Feind die Hamas ist.

Wenn Sie mit mir übereinstimmen, dass der Feind die Hamas ist und dass Ihr Volk aufgrund der Hamas in Not ist, werden Sie auch verstehen, dass der Wandel von innen kommen muss. Ich bin mir dessen bewusst, dass das, was ich sage, leichter zu schreiben als zu tun ist, aber ich sehe keinen anderen Weg. Sie, die Sie mit der Welt in Verbindung stehen und sich um die Ausbildung Ihrer Kinder sorgen, müssen, gemeinsam mit Ihren Freunden, einen zivilen Aufstand gegen die Hamas führen. […]

Meiner Meinung nach haben wir mehr gemeinsam, als Sie sich vorstellen können. Ich bin Zivilist, nicht Soldat, und in meinem normalen Leben habe ich mit dem Militär nichts zu tun. […] Ich habe nicht den Wunsch, mich erneut in Uniform in Ihrem Haus aufzuhalten und ich wäre glücklich, als Ihr Gast auf Ihrem schönen Balkon sitzen und dabei süßen Tee mit Salbei aus Ihrem Garten trinken zu können.

Der einzige Mensch, der diesen Wunsch zur Wirklichkeit machen kann, sind Sie. Übernehmen Sie Verantwortung für sich, Ihre Familie, Ihr Volk und übernehmen Sie die Kontrolle Ihres Schicksals. Wie? Das weiß ich nicht. […] Ich stehe zur Verfügung, um Ihnen die Hand zu reichen und Sie zu unterstützen. Aber nur Sie allein können das Rad der Geschichte drehen. Mit besten Grüßen, Yishai (Soldat der Reserve).

"Maariv", 25. Jänner 2009

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