Keine einfache Rechnung

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Zu seinem 80. Geburtstag initiierte der Grazer Liturgiewissenschaftler Philipp Harnoncourt eine breite künstlerische Auseinandersetzung mit dem schwierigen Thema Dreifaltigkeit.

Was in der reinen Mathematik blanker Unsinn ist - schließlich ergibt die Addition von eins plus eins plus eins immer drei und niemals eins - ändert sich schon bei einer kleinen Ergänzung um eine Maßeinheit. Dann kann ein Wassertropfen und noch ein Wassertropfen und noch ein weiterer Wassertropfen noch immer bloß einen Wassertropfen ergeben, auch wenn dieser dann größer dimensioniert ist. In der christlichen Bekenntniskurzform "Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ gilt dies umso mehr, trotz drei angesprochener Personen sehen sich die Beter dieses Satzes immer einem, dem einen Gott gegenüber. Wahrlich eine knifflige Konstellation - und trotzdem ein zentrales Moment der christlichen Botschaft.

Unsere Zeit schenkt dieser Dreifaltigkeit viel zu wenig Beachtung, fand der Grazer emeritierte Liturgieprofessor Philipp Harnoncourt. So stiftete er zu seinem 80. Geburtstag einen Kunst- und Literaturpreis und erteilte Kompositions- und Tanzaufträge, die allesamt um das Thema Trinität bemüht sind.

"Im Namen von …“

Im Bereich der bildenden Kunst wählte eine hochkarätige Jury 19 Positionen aus, die nun im Kulturzentrum bei den Minoriten in Graz präsentiert werden. Darunter findet sich eher Spielerisches wie der "Altar“ von Christoph und Markus Getzner, einige Werke, wie jene von Markus Wilfling, Leo Zogmayer und Fritz Ganser, arbeiten mit Schrift, einige nehmen die Triptychonform als bildnerisches Synonym auf, wie etwa Franz Sattlers Yellow-Magenta-Cyan-Tafeln, die mit der Anrufungsformel "Im Namen von …“ bedruckt sind, oder jene von Yvonne Manfreda, die die Einzelteile ihrer Arbeit jeweils mit einer leicht veränderten Kreuzgravur versah. Tobias Trutwins drei monumentale Glasplatten, im oberen Drittel dunkel eingefärbt, spiegeln immer wieder die Konterfeis der Besucher, der doppeldeutige Titel "Zeugen“ changiert zwischen einem aktiven und einem passiven Aspekt, sowohl die Arbeit als auch die Betrachter betreffend.

Andere bevorzugten einen skulpturalen Weg, wie Anneliese Schrenk, deren Lederkörper ihre Körpermaße aufnehmen, wie Walter Kratners Installation, die Wassertropfen auf einem heißen Bügeleisen verzischen lässt, oder wie Heribert Friedl, durch dessen eine Hirnform suggerierende Rohrleitungen die Besucher mittels Blasbalg Luft pressen können, um damit den "Duft Gottes“ freizusetzen. Helga Chibidziura setzt die Verballhornung der Dreifaltigkeit für militärische Zwecke ins Bild, wenn sie das Bild der ersten Atombombenexplosion, für die sich die Militärs als Namen "Trinity“ ausgewählt hatten, mit dem Bericht ans Ministerium überlagert. Das Duo Zweintopf filmte eine leere Drehwerbetafel an einer Hauswand, über der zufällig der Name einer Versicherungsgesellschaft wie als Sicherstellung der bedeutungslosen Botschaft angebracht war.

Der Barockphilosoph Gottfried Wilhelm Leibniz hatte als Endpunkt der Teilung der Welt die Falte festgelegt, Gilles Deleuze hat dieses Konzept für das Projekt Postmoderne fruchtbar gemacht, und Caroline Heider versieht ihre stimmungsvollen Mondlichtfotos mit Falten, die sie durch Knicken dem Trägerpapier zufügt. Dabei löst sich die Farbschicht entlang dieser Falten und lässt helle, scheinbar aus der Tiefe - die es bei Endlosfaltungen gar nicht wirklich geben kann - entspringende zusätzliche Lichtquellen entstehen, die das Mondlicht überstrahlen. Manfred Erjautz eignete sich den allgemeinen Verlauf der Zeit für sich selbst insofern an, als er eine Faltblattuhr galvanisch vergoldete, sodass sich zwar die drei Felder für Zeit, Datum und Tag weiterdrehen, aber wegen ihrer Ziffernlosigkeit kein Vergehen der Zeit mehr gemessen wird. Oswald Putzer hängte als "Code für den dreieinen Gott“ drei Spiegel so auf, dass sich Betrachter in deren Mitte beinahe in jedem der drei sehen können.

beziehungsweise - Beziehungsweise

Von den überzeugendsten Arbeiten der Schau arbeiten zwei mit Schrift. Werner Hofmeister überlagerte in seiner Metallskulptur den Schriftzug VATERSOHNHLGEIST dermaßen, dass er als hermetischer Block noch alle Elemente enthält, sich aber einer einfachen Entzifferung verschließt. Anna und Maria Obernosterer, die als ENIGMA auftreten, übersetzen die Trinität in das unscheinbare Wörtchen "beziehungsweise“ und treffen damit nicht nur ein wesentliches Merkmal der Dreifaltigkeit, nämlich die Beziehung, sondern genauso den Umstand, dass die drei jeweils auf einander verweisen, dass sie ihre Größe in Bescheidenheit zeigen. Und sie bleiben dem schnellen Blick verborgen, denn erst beim Bestrahlen der leeren Wand mit einer UV-Lampe kommt der Schriftzug zum Vorschein.

Joseph Marsteurer lässt in einem Raum drei unförmige Figuren entstehen, die erst durch das Erreichen eines bestimmten Standpunktes durch die Bewegung der Betrachter jeweils ein Quadrat ergeben. Den Punkt, an dem man alle drei Figuren als Quadrate sehen könnte, gibt es allerdings nicht. Bertram Hasenauer schließlich zeichnete mit Buntstift aus seiner Erinnerung ein Gesicht, das wie eine Schablone oder Norm wirken soll. Nach Beendigung dieses Blattes legte er es zur Seite und zeichnete aus der Erinnerung an diese erste Arbeit ein zweites Gesicht, das zum Verwechseln ähnlich aussieht. Den gleichen Prozess wiederholte er für ein drittes Blatt nochmals. Gesichter, die niemand je gesehen hat, nicht einmal der Künstler selbst, zeigen sich der Welt, erscheinen wie identisch und sind doch drei an der Zahl. Ergibt nun 1+1+1 drei oder 3+3+3 eins?

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