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„Arbeitsgemeinschaft Ost”

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Oesterreich, am Kreuzungspunkt von Völkern und Kulturen, hat immer schon einen o£f?nen Blick für seine Nachbarschaft gehabt. Während diese Nachbarn nun im Westen fast immer festgefügte Elemente waren, ergab sich im Osten ständig ein Fließen, ein Auf- und Absteigen, ein Heraufkommen und Versinken Früh hat daher Oesterreich gerade für die Behandlung von Ostfragen eine hervorragende Neigung und Eignung entwickelt, vor 1938 — und gleich wieder nach 1945, als sich sofort neue Forschungen, neue wissenschaftliche Zweige und neue Persönlichkeiten mit dem Osten befaßten. Neu an diesen jüngsten Versuchen war die säkulare Erkenntnis, daß die Wissenschaft mit der Wirtschaft gemeinsam gehen muß, wie auch die Wirtschaft erkannt hat, daß sie der Forschung und Kunst bedarf, um zum Erfolg zu kommen.

Aus dieser Erkenntnis heraus wurde nun nach Abschluß des Staatsvertrages versucht, alle Persönlichkeiten und Institutionen, die sich mit den Fragen des Ostens befassen zusammenzufassen.

Es sollte dies keine harte Hand sein, die sie einem einzigen Befehle unterordnet. „Arbeitsgemeinschaft Ost” — das heißt: den weiten Nachbarraum östlich von Oesterreich umfassend. Oestlich, das beginnt nach alter Gepflogenheit vielleicht im Süden mit Triest, im Norden mit der Tschechoslowakei. Und wird bei Rußland enden. Ausgenommen sollen Byzanz- Griechenland sein, die einen eigenen Kulturkreis umschließen.

Die Arbeitsgemeinschaft schreibt im allgemeinen keine Themen vor, sondern überläßt jedem, was er gerade forschen will. Forschern oder anderen Arbeitsgemeinschaften sollen die Grundlagen zur Verfügung gestellt werden, die für jede wissenschaftliche Forschung notwendig sind. Hierher gehört vor allem eine Bestandaufnahme der in Oesterreich verfügbaren Fachliteratur in Form eines Zettelkataloges. Der Vorteil ist handgreiflich. Bei den Zeitschriften hat sich beispielsweise schon jetzt gezeigt, daß manche Publikationen unnötig mehrfach be zogen werden, während andere bedeutende Veröffentlichungen dagegen fehlen. Uebrigens hat schon der erste Ueberblick erwiesen, daß in Oesterreich schon heute mehr Bücher und Fachzeitschriften über das Thema Osten vorhanden sind als etwa in Westdeutschland.

Eine weitere Sorge gilt dem Nachwuchs. Immer wieder suchen Industrie und Staat Fachleute für Ostfragen, und immer wieder ist es schwer, solche Leute aufzutreiben. Eine weitere Aufgabe der Arbeitsgemeinschaft wird es sein, die Sprachen des Ostens zu pflegen, Bestehende Einrichtungen auf den Hochschulen brauchen nicht konkurrenziert zu werden. Ostsprachenpflege soll aber auch in den Nichthochrchul Städten gepflegt werden. Gute Erfolge hat hier bereits die Zweigstelle der Arbeitsgemeinschaft Ost in Linz unter Leitung von Dr. Dox aufzuweisen. Auch die Methoden der alten Konsularakademie sollen in neuer Form wieder aufleben. So ist daran gedacht, fertigen Akademikern, die daran beruflich interessiert sind, in einem Lehrgang von ein bis zwei Jahren ein Allgemeinwissen über den Osten zu vermitteln.

Neben der Forschung im engeren Sinn wird eine stärkere Publikationstätigkeit notwendig sein. Neben der bereits bestehenden angesehenen politisch-wissenschaftlichen Zeitschrift „Der Donauraum” soll eine rein wissenschaftliche Zeitschrift entstehen. Hier wie in der gesamten Publizistik soll die Tätigkeit möglichst nicht auf Wien allein beschränkt bleiben, sondern auf ganz Oesterreich verteilt werden. Von selbst haben sich dazu ein Wiener, ein Grazer und ein Salzburger Verlag angeboten; der eine wird sich mit den rein wissenschaftlichen Themen, der andere Ihit populären wirtschaftlichen Reihen und der dritte mit der weltanschaulichen Thematik befassen. Es ist ferner daran gedacht, monatliche Publikationen über neuerschienenes Quellenmaterial auf dein Gebiete der Wissenschaft, des Rechtes, der Landeskunde u. a. herauszugeben. Der nächste Schritt soll eine Handbücherei sein, kleine Bändchen in Taschenformat für den Praktiker, von Devisenbestimmungen über Zollrecht bis zu Frachtmöglichkeiten. Ein besonderes Anliegen soll aber nicht zuletzt die Förderung rein wissenschaftlicher Werke sein, anknüpfend an die großen Traditionen vor 1918. Flier wird ein wichtiges Grundlagenwerk der neue Südostatlas sein, der geographisch und thematisch an den großen deutschen Nordostatlas anschließen wird.

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