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Das Kreuz der Bischöfe

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In der feierlichen Sitzung am Donnerstag, 18. November, wurden die beiden Texte über die Offenbarung und das Apostolat der Laien veröffentlicht, Das erste stammt aus den Ursprüngen des Konzils. An ihm entzündeten sich die Gegensätze zuerst. Damals ging es um das Verhältnis von Schrift und Tradition, um die Exegese im Einklang und mit den Mitteln der modernen Geschichtswissenschaft und um die Irrtums-losigkeit der heiligen Bücher. Wenn auch in allen drei genannten Punkten vielerlei offenblieb, so hat man doch Leitlinien gefunden zur Lösung der schwebenden Fragen.

So hat man gelernt, Schrift und Tradition als eine Einheit zu sehen; ebenso hat man offensichtlich die Möglichkeit verschiedenster Stilarten, auch im Neuen Testament, ohne Ängstlichkeit ins Auge gefaßt, wodurch man tiefer in den eigentlichen Sinn der Frohbotschaft eindringen wird. Das wieder durfte die Ubersetzung in unserer Zeit als Wort an uns Heutige sehr erleichtern. Endlich hat die Ausrichtung auf den Heilssinn der Schrift in der Frage der Irrtumslosigkeit den Blick für die Gesamtaussage aller heiligen Bücher geschärft, so daß man sich nicht mehr so leicht in kleinliche und bedrückende Streitigkeiten verlieren wird. Ich sehe als Folge dieser Konstitution das rasche Aufblühen einer echten Bibeltheologie, die bisher durch vielerlei Stacheldrähte gehemmt war.

Vom zweiten Text habe ich schon berichtet. Inzwischen aber ist in neuer Fassung den Bischöfen ihr Kreuz wieder ausgeteilt worden, das Schema über die Kirche in der gegenwärtigen Welt. Der Berichterstatter, Erzbischof Garonne von Toulouse, sagt in seiner Einführung: „Unser Unternehmen ist so bedeutsam und so neu, daß manche Väter sich richtig fürchten, denn wir nehmen auch schwierige und brennende Fragen in Angriff.“ Drei Dingen wandte sich vor allem die Aufmerksamkeit der Väter zu, dem Atheismus, der Ehe und dem Frieden. Die Kommission hat sich bemüht, dem Willen der Väter zu entsprechen. Ich will für heute zum ersten dieser drei Probleme etwas sagen.

Tatsächlich stand in dem Text, der letztes Jahr zur Diskussion vorlag, nur ein kleines Sätzchen über den Atheismus. Die Aussprache aber zeigte eine lange Reihe von Vätern, die sehr nachdrücklich eine eingehende Behandlung dieses Themas forderten. Die Jetzige Vorlage widmet dem Atheismus drei Paragraphen von insgesamt etwas mehr als hundert Zeilen. Nicht zufrieden sind damit jene, die eine ausdrückliche Verurteilung des Kommunismus wünschen. Sie haben eine Liste von drei- bis vierhundert Unterschriften zusammengebracht und eine entsprechende Petition beim Generalsekretär eingereicht. Diese Eingabe kam auf nicht ganz geklärte Weise der Kommission nie vor die Augen. Erst als in der neuen Fassung bei den Erläuterungen zu lesen war, daß nur zwei Väter eine ausdrückliche Nennung und Verurteilung des Kommunismus verlangt hätten, wurde das offensichtlich.

Wie auch immer. Sehen wir die Gründe der Eingabe an. Sie verlangt einen eigenen Paragraphen über den Kommunismus. Erstens, weil der Atheismus keineswegs der einzige Irrtum des Kommunismus sei. Es wird aufgezählt die Leugnung der geistigen Seele, die Fehlbewertung der Würde der menschlichen Person, die Unterdrückung der religiösen Freiheit, des Vereinsrechtes, der freien Information, die Leugnung des Rechtes auf Privateigentum, des Erbrechtes, die totalitäre Staatsauffassung. Zweitens, es sei Aufgabe der Konzilien, die tatsächlichen Irrtümer aufzudecken und zu verurteilen. Der Kommunismus aber sei heute der gefährlichste und virulenteste Irrtum, in dem sich der Atheismus gleichsam inkarniere. Drittens, das Konzil sei in erster Linie ein pastorales, aber gerade die Hirtensorge verlange, daß die Gläubigen vor diesem Irrtum bewahrt würden, denn viele seien der Ansicht, man könne Kommunist und Christ zugleich sein. Viertens, das Schema 13 wolle die brennenden Weltprobleme aufgreifen. Da der Kommunismus mehr als die Hälfte der Welt beherrscht und noch darüber hinausdränge, sei er wahrhaftig ein brennendes Weltproblem.

Und endlich Hunderttausende, die unter der Verfolgung gelitten hätten oder noch leiden, Katholiken, Orthodoxe, Protestanten, Juden usw., erwarteten ein stärkendes Wort vom Konzil, so daß dieses ein ökumenische Tat wäre. Schweige hingegen das Konzil, werden dies viele tatsächlich, wenn auch fälschlich, als eine schweigende Zurücknahme der bisherigen Verurteilungen des Kommunismus durch die Kirche ansehen. Außerdem wünsche der Kommunismus nichts sehnlicher als das Schweigen des Konzils. Er werde es für sich und seine Propaganda auszunützen wissen. Schließlich möge man bedenken, daß, wenn schon Pius XII. heute schmählich verklagt werde, weil er zu den Opfern des Nazismus geschwiegen habe, das Konzil mit vollem Recht verklagt werden könnte, wenn es zu den Opfern des Kommunismus schweige.

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