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Die Nonne

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Die Tatsache, daß der Roman „La religieuse“ von Denis Diderot, dem großen Literaten der französischen Aufklärung, schon 1796, im Jahre seiner Erscheinung, verboten wurde, hat dem Buch ungleich weniger Popularität eingebracht, als die Kampagne gegen den Film des Franzosen Jacques Rivette, „Die Nonne“, der schon während der Dreharbeiten Gegenstand zahlreicher Anfeindungen war. Die Affäre erreichte ihren

Die „Horizonte“ bescherten uns diesmal zwei interessante Beiträge, einen wirklich kritischen und unvoreingenommenen über Qualitätsunterschiede beim Benzin. Wir sahen, wie die Tankwagen der verschiedensten Firmen an einer einzigen Zapfsäule in der Lobau tanken, und wir sahen den Beweis, daß Superbenzin nur für ganz spezielle Motorentypen notwendig ist. Ein weiterer Beitrag machte uns mit den Wiener Kommunarden bekannt, jenem typisch wienerischen, nur noch auf Gspaß und Hetz abgestellten Ableger einer studentischen Protestwelle. Da sie aber solcherart Beachtung im Fernsehen gefunden haben, werden sie sich vielleicht das nächste Mal noch etwas Verrückteres einfallen lassen.

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Des 200. Geburtstags Andreas Hofers gedachte das Österreichische Fernsehen in einer braven, aber etwas steifleinernen Dokumentation. Da bis zu einem nächsten runden Gedenktag einige Zeit verstreichen wird, könnte sich das Fernsehen überlegen, wie man heute diesen Teil der österreichischen Geschichte dem österreichischen Publikum in einer lebendigen und kritischen Form darbringen kann. *

Für die Opernfreunde brachte das Fernsehen in einer Eigenproduktion und in hervorragender Besetzung Verdis „Falstaff“. Eine Sendung von einmaliger Vollkommenheit war, unter Zugrundelegung der platonischen Dialoge, „Der Tod des Sokrates“ mit Heinz Moog in der Titelrolle.

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Höhepunkt damit, daß der Streifen in Frankreich verboten wurde, worauf sich ein Proteststurm gegen das Verbot erhob, dessen Wellen bis in die höchste Politik schlugen. Nun ist gerade dieses eine Werk des Atheisten Diderot niemals auf dem Index gestanden, auch hatten die wenigsten, die gegen den Film protestierten, das Buch gelesen. Gewisse Kreise hatten sich daher mit dem Protest gegen Rivettes Streifen gleich mehrere Eigentore geschossen: einerseits war eine Bühnenfassung des Buches (ebenfalls von Rivette und mit der gleichen Besetzung der Hauptrolle, nämlich Anna Karina) lange Zeit mit großem Erfolg im Studiotheater an den Champs-Elysees aufgeführt worden; auf der anderen Seite verhalfen gerade der vorschnelle Protest und das nachfolgende Verbot dem Film zu ungeahnter Popularität, bevor er überhaupt noch öffentlich gezeigt worden war. Um zu dokumentieren, daß er sich in seinen Ansichten nicht mit denen Diderots bedingungslos identifiziere, nannte Rivette seinen Film schließlich „Suzanne Simonin, die Nonne von Denis Diderot“, in der deutschen Fassung wurde zusätzlich noch ein erklärender Kommentar vorangestellt.

Rivette hat sein Werk keineswegs als antikirchlichen Affront angelegt, sondern rollt nur ein menschliches Einzelschicksal auf — in einer ganz bestimmten, vor allem historisch bedingten Ausnahmesituation. Er bleibt streng historisch und versucht auch nicht, einen Bezug dieses Dramas auf die Gegenwart herzustellen. Was bleibt, ist ein konfliktreiches Dialogstück mit zahlreichen dramaturgisch dankbaren Anknüpfungspunkten. Was besonders deutlich herausgearbeitet wird, ist die Tatsache, daß diese Suzanne Simonin — eine darstellerische Meisterleistung Anna Karinas — zwar immer auf der Suche nach einem Menschen ist, dem sie sich anvertrauen kann, diesen Menschen aber entweder nicht findet oder in ihrem Vertrauen bitter enttäuscht wird. In diesem Sinne zieht sich auch eine große — und absteigende — Linie über die fünf Frauengestalten, die ihr gegenübertreten.

Der Schluß des Streifens ist nicht mehr Diderot, sondern wurde vom Regisseur hinzugefügt. Leider fällt auch besonders der letzte Teil im Kloster Saint-Eutorpe stark gegenüber den ersten zwei Dritteln ab, die wirklich differenzierte psychologische Spannung anzubieten haben. Lieselotte Pulver in der Rolle der Äbtissin Madama de Chelles ist eine ausgesprochene Fehlbesetzung, die Überraschung des Films dagegen Micheline Presle, der man die Rolle der Madame de Moni nach ihrem bisherigen Rollenfach niemals zugetraut hätte.

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