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Dreimaliger Kurswechsel, „roter Dunst“ über England

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So tritt eine Weile in dem Buch Douglas Hydes — haben wir schon den Titel „I believed“ genannt? — das persönliche Geschick völlig zurück. Bald nach Ausbruch des zweiten Weltkrieges versam-meltete sich das Zentralkomitee der Partei in dem Hauptquartier in der King Street, um ein Manifest für den antifaschistischen Kampf zu verfassen.

Nach stundenlangem Kampf wurde der Text finalisiert. Da öffnete sich die Türe, eintrat der britische Kominternvertreter, den man noch im Moskau vermutet hatte, warf einen Blick auf das Manifest und bemerkte ... daß man es zerreißen müßte. Die Komintern hätten ausgesprochen, daß es 6ich um einen imperialistischen Krieg handle...'

Nach einer Periode, in der die Zersetzung von Wirtschaft und Wehrkraft das einzige Ziel der KPG war, wurde das Ruder nach dem Angriff auf die UdSSR radikal herumgeworfen. Mit den großen Opfern, die die Rote Armee brachte und die recht offensichtlich die eigene Lage erleichterten, wurde die Partei zum erstenmal populär. In dieser Stimmung unklaren, oft sentimentalen Denkens — “Red haze“, „roter Dunst“ nennt sie Hyde — warf die schon vorher ausgearbeitete Infiltrationsmethode so reiche Früchte ab, daß von den 1945 gewählten Labourabgeordneten acht heimlichderKPGan-gehörten, sie wurden erst allmählich ausgeeitert. Der „Daily Worker“, bisher von Parteispenden erhalten, wurde zur Einnahmsquelle. Doch man beschloß weiterhin an die Mildtätigkeit der AHer-ärmsten zu appellieren!

„Der Mann, der einen Penny für eine Sache gibt, wird sich nicht allzu verbunden mit ihr fühlen, überredest du ihn, soviel zu geben, daß es schmerzt, wird er die Sache als seine eigene ansehen, wenn nötig bereit sein, noch größere Opfer zubringen.“

Die Nachkriegszeit brachte für die Redaktion zwei Probleme: 1. Wie sollte das Verhalten der Roten Armee erklärt werden. 2. Welche Stellung sollte man zur finanziellen Hilfe der USA einnehmen. Durch eine Indiskretion eines Beamten in Whitehajl — solche Indiskretionen waren, ein Erbe der “Red haze period“, ungemein zahlreich — erfuhr die Redaktion des „Daily Workers“, daß die Regierung annehme, daß bei Ablehnung der finanziellen Hilfe der USA mit einem Arbeitslosenheer von drei Millionen gerechnet werden müsse. Gerade das a 1 e r begrüßten die Mitglieder des Politbüros, schien es ihnen doch die Erhebung des Proletariats in etwas greifbarere Nähe zu rücken. Es ist verständlich, daß hier die politische Logik Hydes erschüttert wurde. Er war doch wegen des Elends der Millionenmasse zur KPG gekommen, nun aber sollte wegen der KPG ein Millionenelend hervorgerufen werden. Das war unsinnig. Die bittere Pille mußte obendrein un-versüßt hinuntergeschluckt werden. Bei einer Redaktionskonferenz erhob sich ein Mitglied des Politbüros und sprach die erschütternden Worte:

„Es wird nicht möglich sein, den Lebensstandard in den Volksdemokratien rasch zu heben, da es sich hier hauptsächlich um Länder mit einer bäuerlichen Wirtschaftsform handelt. Doch gibt es einen Weg, den relativen Standard zu heben, indem der Standard der westlichen Länder herabgesetzt wird. Die Partei wird nicht lange brauchen, das zu erreichen.“ Mit diesen Worten wurde die dritte Kursänderung eingeleitet, dieselben Männer, die eben noch die Produktionsziffern und^Ziele mit industriellem Fanatismus ins Land geschrien hatten, sahen über Nacht ihre wesentliche Aufgabe darin, den wirtschaftlichen Wiederaufbau zu verhindern.

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