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Ein Lied vom braven Mann

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Es ist ein Lied vom braven Mann, eines das in Gluthitze das Leben geformt, die Geschichte des Schlesiers, des heutigen deutschen Bundesministers für die Vertriebenen.

Dr. Hans Lukaschek ist ein Sohn Oberschlesiens. 1885 geboren, empfing er in dem Grenzwinkel zwischen Kongreßpolen und Österreich die Grundzüge seiner Prägung: katholisch, deutsch und europäisch. Landrat seines Heimatkreises Rybnik, verdiente er sich in den Nachkriegswirren, von denen seine oberschlesische Heimat besonders schwer heimgesucht war, seine ersten Sporen durch erkennbare staatsmännische Fähigkeiten. Er eilte von Ort zu Ort, sprach in stürmischen Versammlungen, und es gelang ihm, die brodelnden sozialen und nationalen Leidenschaften zu beruhigen, die gerade in der Südostecke Oberschlesiens scharfe Formen angenommen hatten. Erstaunlich schnell war es ihm gelungen, mitten in diesen Kämpfen, eine friedliche und geordnete Verwaltung wieder aufzubauen.

Diese Bewährung führte dazu, daß er zum deutschen Abstimmungskommissär für Oberschlesien berufen wurde; polnischer Abstimmungskommissär war W. Korf anty. Die auf Grund des Versailler Vertrages angeordnete Volksabstimmung, die das sonst friedliche Land in einen Hexenkessel verwandelt hatte, sollte die schicksalhafte Frage entscheiden: ob die oberschlesische Bevölkerung bei Deutschland verbleiben oder zu Polen wollte. Hans Lukaschek setzte es als Grundlinie für diesen Kampf durch, daß er ohne Gewalt, rein vom Gesichtspunkt kultureller und historischer Beziehungen geführt wurde. Er konnte es freilich nicht verhindern, daß entgegen dem Abstimmungssieg von 60 Prozent deutschen Stimmen und entgegen den eindeutigen Bestimmungen des Versailler Vertrages über die Auswertung des Abstimmungsergebnisses der industriereichste Teil Oberschlesiens Polen zugesprochen wurde. Daß es nach Versailles überhaupt zu der Abstimmung gekommen war (nach dem anfänglichen Vorhaben sollte ganz Oberschlesien ohne Volksabstimmung an Polen fallen) und daß diese Abstimmung trotz aller Gewalt zu einem eindeutigen deutschen Sieg führte, war nur der klugen, ethisch und religiös fundierten Politik Hans Luka- scheks und seines Vetters, des Führers des oberschlesischen Volkes, Prälat Ulitzka zuzuschreiben. In diesen Auseinandersetzungen hat sich die Persönlichkeit Lukascheks geformt. In diesen Kämpfen hat er die Erkenntnis gewonnen, daß alle Innen- und Außenpolitik, auf die Dauer gesehen, zum Scheitern verurteilt ist, wenn sie nicht von religiösen und sittlichen Grundsätzen bestimmt ist. In dieser Grundhaltung friedlicher europäischer Zusammenarbeit arbeitete Hans Lukaschek in der Folge als deutsches Mitglied der Gemischten Kommission für Oberschlesien in dem polnisch gewordenen Kaittowitz. Dieses unter dem Vorsitz dės ehemaligen Schweizer Bundespräsidenten Calonder durch den Genfer Vertrag geschaffene zwischenstaatliche Gremium hatte als Hauptaufgabe den Schutz der beiderseitigen volklichen Minderheiten in dem durch die neue Grenze geteilten Abstimmungsgebiet. Kampf um das Recht in Wahrheit und Freiheit — in unvermeidlicher Geduld gelang es Lukaschek, diese Linie gegenüber allen Widerständen in Polen und Deutschland durchzusetzen. Seine Gerechtigkeitsliebe verschaffte ihm Achtung und vielfach Freundschaft bis in die extremistischen Flügel nach rechts und links hinein, weil jeder Gegner sich nicht der Erkenntnis verschließen konnte, daß hier ein Mann am Werk war, der etwas konnte, und der seiner Politik die Verpflichtung zugrunde legte, im Partner wie im Gegner den Nächsten zu sehen. So war es ihm auch gelungen, der pöl- nischen Minderheit in Oberschlesien ihr Recht und mehr als dieses zu geben. Lukaschek wollte kein fremdes Volkstum stören. Er

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