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Ein Opfergang für Deutschland

19451960198020002020

Generaloberst Ludwig Beck. Von Wolfgang Foerster. Isar-Verlag, München. 172 Seiten. — Geist det Freiheit. Von Eberhard Zeller. Verlag Hermann Rinn, München. 395 Seiten

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Generaloberst Ludwig Beck. Von Wolfgang Foerster. Isar-Verlag, München. 172 Seiten. — Geist det Freiheit. Von Eberhard Zeller. Verlag Hermann Rinn, München. 395 Seiten

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Zwei ernst zu nehmende Werke liegen hier zur Beurteilung vor. Wolfgang Foerster, der Generaloberst Beck besonders nahestand, versucht, das Bild dieses Hauptbeteiligten an den Ereignissen des 20. Juli 1944 nachzuzeichnen. Eberhard Zeller erweitert den Rahmen zu einer umfassenden und wissenschaftlich sehr genauen Darstellung der militärischen und politischen Oppositionsgruppen. Ludwig Beck gehört wohl zu den tragischesten Figuren des deutschen Offizierskorps. Himmler hat ihn in der eben vom Institut für Zeitgeschichte in München in einem Forschungsbericht veröffentlichten Geheimrede über den 20. Juli als Imitator Moltkes verhöhnt. Immerhin erscheint dieses Urteil des schärfsten Gegners eine Rechtfertigung von Beck zu beinhalten. Die knappe und leider nur bis zur eigentlichen Tathandlung geführte Biographie Foersters zeigt, daß der Generalstabschef des deutschen Heeres wirklich die Folgen eines europäischen Zusammenstoßes übersah. Vielleicht hätte sich nie eine größere Chance einer europäischen Vereinbarung geboten als anläßlich der Reise Fecks nach Paris im Juli 1937. Im Gespräch mit französischen Generälen versuchte Beck leider vergeblich — ebenso wie die deutsche Opposition nach Ausbruch des Krieges — auf die weiteren Entwicklungen hinzuweisen.

Die Einstellung Becks zum Oesterreich-Problem, besonders seine ablehnende Haltung gegenüber jedem politischen und militärischen Uebergriff kommt deutlich zum Ausdruck. Verdienstvoll sind auch die vollinhaltlichen Publikationen der so wichtigen Denkschriften vom 5. Mai 1938 und vom 16. Juli des gleichen Jahres, welche als politisches Testament dieses Amtsnachfolgers Moltkes gewertet werden müssen, der selbst in seiner eigenen Person den schweren moralischen Konflikt zwischen Eid und Befehl durchkämpfen mußte, bis der tragische Tod in den Abendstunden des 20. Juli ihn fällte. Vermutlich wird man die Polemik um Beck noch fortführen, aber die Erkenntnisse dieses ausschließlich aus dem Denken des preußisch-deutschen Generalstabs kommenden Offiziers über die Frage Oesterreich und die daraus folgenden Konseqenzen für Mitteleuropa deutet darauf hin, daß Ludwig Beck trotz mancher ihm berechtigt vorgeworfener Mängel auf militärisch-technischem Gebiet ein von sittlichem Ethos der Verantwortung gegenüber Europa erfüllter Offizier war, dessen tragische Rolle als ewiger Warner erst in der Götterdäm merung des Mai 1945 den Wissenden offenbar w,urde.

Eberhard Zeller, dessen wissenschaftlich hervorragend belegtes Werk eine Leistung für sich darstellt, hat nicht umsonst die Worte Ludwig Becks vom 16. Juli 1938 anläßlich einer Vorsprache bei Brauchitsch als ersten Satz seiner Darstellung gewählt: „Es stehen hier letzte Entscheidungen über den Stand der Nation auf dem Spiel. Die Geschichte wird diese Führer mit einer Blutschuld belasten, wenn sie nicht nach ihrem fachlichen und staatspolitischen Wissen und Gewissen handeln. Ihr soldatischer Gehorsam hat dort eine Grenze, wo ihr Wissen, ihr Gewissen und ihre Verantwortung die Ausführung eines Befehls verbietet." Und weiter heißt es: finden ihre

Ratschläge… in solcher Lage kein Gehör, dann haben sie das Recht und die Pflicht vor dem Volk und vor der Geschichte, von ihren Aemtern abzutreten."

Um dieses Bekenntnis konzentriert sich das Streben der Männer um Beck, gleichgültig wie immer sie hießen, ob Stülpnagl oder Canaris, Halder oder der Kreis der Sozialisten bis hinüber zu den dann aus dem Frontsoldaten dazustoßenden Grafen Stauffenberg, nicht zu vergessen Rommel, der nach den ausführlichen Untersuchungen Helmut Kraus- nicks sich selbst zur Verfügung stellte. Dabei hat es sich als außerordentlich günstig erwiesen, daß Zeller einmal das Thema der handelnden Personen des 20. Juli von der rein menschlichen Seite aus anging und hier eine Reihe von Porträts, die wiederum mit der Handlung in engster Verbindung stehen, meisterhaft erstellte. Vor diesen Bildern formt sich die ganze Tragik des deutschen Offizierskorps, die nur möglich war, weil außerordentliche Zeiten und Umstände die historischen Normen und Begriffe zerbrachen, um der Nation willen, die dem Abgrund der Vernichtung entgegengeführt wurde. Das ernst zu nehmende Werk Zellers ist vielleicht der reifste Versuch einer geistesgeschichtlich ebenso wie soziologischen Erklärung des 20. Juli 1944. Es verdient gerade im Ausland besondere Beachtung, um so mehr als im angelsächsischen Schrifttum erst jetzt langsam die Erkenntnis reift, welch ungeheure Chance für Europa durch die Mißachtung der deutschen Opposition und durch die Formel von Casablanca vergeben wurde.

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