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ERNST KARL WINTER / AM LIMES VON HEUTE

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Am 4. Februar 1959 verschied, 63 Jahre alt, Ernst Karl Winter. Ein Leben geistigster Anstrengung und härtesten Willens erfüllte sich. Wenige wissen davon, was es bedeutete. Daß E. K. Winter nach der „Selbstausschaltung des Parlaments” 1933 „Oef- fentliche Briefe” an den Bundespräsidenten Miklas zur Verteidigung der Verfassung schrieb und er trotzdem 1934 von Dollfuß als Vizebürgermeister von Wien und Anwalt der Arbeiterschaft berufen wurde, machte ihn gewiß bekannt. Aber diese Funktion war für E. K. Winter Zufall, kein Ziel. Daß E. K. Winter für die Demokratie und gegen Hitler auf eigene Faust eine Abwehrfront von links nach rechts schaffen wollte und er deshalb in einer Fahrt Friedrich Adler und Kaiserin Zita aufsuchte (und er im „Untergrund” nach 1934 als „notwendiger” Bundeskanzler genannt wurde), zeigte seine Aussicht und Spannkraft, nicht sein eigentliches Anliegen. Dieses aber hieß Austria Sancta! Dieses Zieles wegen, und das war die erste Tragödie seines Lebens, wurde er, der tapfere „Einjährigfreiwillige” E. K. Winter, im ersten Weltkrieg, weil er als Katholik Duellverweigerer war, nicht — Offizier. Erst Kaiser Karl tilgte diese Schmach nach 1918 persönlich Ebenso wurde er, der geniale Publizist und Wissenschaftler E. K. Winter, weit er gegen den „Anschluß” war, in der Ersten Republik au der Wiener Universität — kein Dozent! Erst in der Zweit:n Republik begann man dieses Unrecht zu tilgen, aber man begann nur.

Publizistisch gaben E. K. Winter einen Namen seine ‘ugendschriften: ,.Nibelungentreue” (1921), „Ai stria erit in orbe ultima” (1922) und „Die heilige Straße von Wien nach Mariazell” (1926), die er — seit dem Bahnbau — als erster wieder zu Fuß beging. Grundlegend für das neue Oesterreichbekenntnis wurde dann das mit Freunden herausgegebene Buch „Die Oesterreichische Aktion” (1927). Parole war: „Rechts stehen und links denken.” Altkonservatives, ja legitimistisches, und neusozialistisches, ja marxistischLS Denken war Ansatz seiner Politik. Sie zeigte sich bald in E. K. Winters aufsehenerregender Apologie der sozialistischen Wohnpotitik in Wien. Fortsetzung fand diese Haltung in s nen Büchern: „Arbeiterschaft und Staat” (1934) und „Monarchie und Arbeiterschaft” (1936), abschließend in seinen fast nur von ihm allein geschriebenen „Wiener politischen Blättern” (1933 bis 1936), einer Fundgrube soziologisch-historischer Analysen der Diktaturen jener Zeit..

Keine Ab-, sondern Vörschreibearbeit, die noch ihre Wirkung zeitigen wird, sind E. K. Winters Werkt: „Die. Sozialmetaphysik der Scholastik” (1929) und „Das Soziologische in Platos Ideenlehre” (1930), sein zweibändiges Werk: „Rudolf IV.” (1934), seine Romantik- und Marxstudien. Hier versuchte er erkenntniskritisch katholisches Denken mit Kant und sozialkritisch mit Marx zu verfestigen. Ewig gültig bleibt dann seine Religionssoziologie, seine Erkenntnis von den beiden verschiedenen Methoden und Ständen der Christenheit in der Bewältigung ihrer Aufgaben. Eine neue Grundlage für die allgemeine Soziologie schuf er in der Lehre vom „Vater” als der Wurzel der Gesellschaft.

1955 kam E. K. Winter, der 1938 in die USA ging und in New York Universitätsprofessor wurde, wieder nach Wien. Er publizierte 1956 sein zum Teil biographisches Werk „Christentum und Zivilisation”. Sein letztes Werk ist „St. Severin, der Heilige zwischen Ost und West”, wovon der erste Band vor Weihnachten erschien. Den zweiten Band vollendete er an seinem Todestag! ln Severinus erkannte E. K. Winter den Sinn auch seines Löbens: am Limes von heute zu stehen, zwischen Ost und West zu vermitteln, und dies allein auf eigene Verantwortung, ohne Auftrag von Kirche und Staat, im Glauben seiner Väter, in der Liebe zu seinem Vaterlhnd.

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