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Griechischer Josefinismus

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Als Befreiung der griechischen Kirche von 150jähriger Bevormundung durch den Staat haben in Athen Ministerpräsident Papadopoulos und der von der Militärregierung eingesetzte Erzbischof-Primas Hieronymos die neue Kirchenverfassung charakterisiert, die am 1. März ohne jede Befragung von Bischöfen, Klerus und Volk durch Notverordnung in Kraft getreten ist. Schon diese unkirchliche Art ihrer Promulgierung, aber noch mehr der Inhalt der 53 Artikel der neuen Kirchenordnung beweisen genau das Gegenteil, nämlich die völlige Unterordnung der hellenischen Orthodoxie unter den von den Obersten regierten Athener Nationalstaat.

Dia 1943 erlassene „Charta der Kirche von Griechenland“, die erste, die der griechischen Staatslctrch* nach mehr als hundertjähriger Leitung durch einen „Dirigierenden Synod“ überhaupt zugestanden worden war, basiert auf absolut synodalem Prinzip und legte alle Befugnisse, einschließlich der Wahl neuer Bischöfe und des Erzbischofs von Athen und ganz Griechenland, in die Hände der „Hierarchia“, der Vollversammlung. Protektionsgruppen innerhalb der „Hierarchia“, die nur ihre Günstlinge zu Bischöfen wählten, und der besonders krasse Fall des von Klerus und Volk abgelehnten Erzbischof Jakovos von Athen, den zwar eine käufliche Bischofsmehrheit im Februar 1962 gewählt, aber der Widerstand der Gläubigen schon nach wenigen Tagen zum Rücktritt gezwungen hatte, ließen das Verlangen nach einer Reform der Kirdhenverfassung so stürmisch werden, daß sich der neue Erzbischof Chrysostomos II. Chatzistavrou (1962—1967) zur Einsetzung einer aus Bischöfen, Priestern und Laien gebildeten Kommission zur Vorbereitung einer erneuerten „Kirchen-Charta“ gezwungen sah.

Nach mehrjähriger Vorbereitung ging diese 1966 konkret an die Arbeit und stützte sich dabei in der Hauptsache auf das Vorbild der modernen Kirchenanordnung, die sich die Konstantinopel unterstehende autonome Kirche von Kreta 1961 gegeben hatte. Zu den führenden Vertretern dieser Refonmbemühungen zählte damals der Theologieprofessor Hieronymos Kotsonis, und als dieser im Mai 1967 von der inzwischen an die Macht gekommenen Militärregierung zum Erzbischof ernannt wurde, schien die Verwirklichung der Kirchenreform endlich bevorzustehen.

Dann kam der Rückschlag

In der Zwischenzeit war es jedoch um diese echten Reformpläne immer stiller geworden, da Hieronymos der Versuchung unterlag, sich mit Hilfe der auf seinen moralischen Beistand angewiesenen Militärregierung einen dem synodalen Geist völlig fremden allgriechischen Primat und Kontrollrechte über die hellenische Auslandsorthodoxie zuzuschanzen. So zeichnet sich auch die jetzt vorgelegte Kirchenfassung durch Entmachtung der synodalen Instanzen, Erhebung des bisherigen Athener „Primas“ zum „Haupt der Kirche von Griechenland“, die Zentralisierung der gesamten Kirchenverwaltung und völlige Abhängigkeit dieser Zentrale vom griechischen Staat aus, da Erzbischof und Metropoliten nicht mehr frei gewählt, sondern vom Ministerrat ernannt werden. Die Vollversammlung der Bischöfe bleibt auf drei Jahre suspendiert und die Zahl ihrer 70 Mitglieder wird um 16 verringert, was die Gesamtzahl der unter der Militärregierung abgesetzten griechischen Bischöfe auf 35 von insgesamt 70 erhöht. Formell kann zwar die Aufhebung des Amtes des „Regierungs-prokurators“ bei der Heiligen Synode als Einschränkung der staatlichen Bevormundung bezeichnet werden, doch sind jetzt in der Praxis der Erzbischof und alle Metropoliten Prokuratoren der Militärregierung geworden.

Als Folge dieses staatskirchlichen Irrweges zeichnet sich bereits jetzt verstärkter Zustrom zur 1967 gebildeten „Bekennendene Kirche“ ab, gegen deren Priester in der ersten Februarhälfte eine Verhaftungswelle größeren Stils durchgeführt wurde.

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