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„Kanton Presse“

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Eine Zusammenkunft von vier Bundesräten mit leitenden Vertretern der Radio- und Fernsehgesellschaft im Juni des letzten Jahres löste mit etlicher Verspätung einen Sturm im helvetischen Wasserglas aus. Wie erst nach Jahresende in der Öffentlichkeit bekannt wurde, hatten die vier obersten Landesväter bei

dieser Gelegenheit einzelne Sendungen beanstandet, die nach ihrer Auffassung das wohltemperierte Klima des Landes stören könnten. Sie empfahlen den Vertretern von Radio und Fernsehen wachsam zu sein, und die Vertreter ihrerseits gaben die bundesrätlichen Mahnungen pflichtbewußt nach unten, an die Programmschaffenden, weiter. Das veranlaßte dann einen bekannten Zürcher Politiker in einem Interview ein weitverbreitetes Wehe über die obrigkeitlichen Allüren auszustoßen und den Verlust der Freiheit an Radio und Fernsehen zu beklagen. Manche Zeitungen nahmen den interessanten Stoff auf, würzten ihn mit kritischen Anmerkungen und kochten daraus ein bekömmliches Skandälchen. Im eidgenössischen Parlament wurde die Auseinandersetzung weiter gepflegt. Es entspann sich eine ausgedehnte Radio- und Fernsehdebatte, es wurden vier Interpellationen und zwei Postulate eingebracht, welche die Freiheit, die Verantwortung, die Pflichten und Rechte der großen Kommunikationsmittel in der Demokratie anvisierten. Vor allem wurde eine klare verfassungsrechtliche Fundierung der Massenmedien gefordert.

Der verfassungslose Zustand

Wahrscheinlich realisierte die Öffentlichkeit erst im Verlaufe dieser Diskussion den verfassungslosen Zustand der Massenmedin. Der Radio- und Fernsehbetrieb beruht bis jetzt rechtlich einzig auf einer Konzession des Bundesrates. Gestützt auf diese Konzession können die Installationen der PTT benützt werden, und an die Konzession sind nur vage Bedingungen geknüpft.

Im Rahmen dieser weitgefaßten Richtlinien ist die Programmleitung

frei. Interventionen müßten auf Grund der Konzession erfolgen, wenn Sendungen gegen die genannten Bestimmungen verstoßen. Da Parteien, Kirchen, Verbände und Organisationen die Produktionen der Massenmedien wachsam verfolgen und bei jeder Gelegenheit auf Parität, auf Berücksichtigung aller Rich-

tungen dringen, sind praktisch keine großen Seitensprünge und Abweichungen möglich. Dennoch ist natürlich das Fehlen einer verfassungsrechtlichen Basis ein Schönheitsfehler.

Der Blätterwald

Wer die Heftigkeit des Radio- und Fernsehstreites verstehen will, muß wenigstens einige Fakten über die anderen Kommunikationsmittel kennen. Die Schweiz ist noch immer das zeitungsreichste Land der Welt. Man darf mit einer Ziffer von 400 Zeitungen operieren, wobei in dieser Zahl die Illustrierten, die Wochenzeitungen, die Fachblätter nicht gerechnet sind. Da unser Land rund 3000 Gemeinden zählt, trifft also auf jede siebente bis achte Gemeinde ein eigenes Blatt. Die 400 Zeitungen erreichen zusammen eine Auflage von gut 2,5 Millionen Exemplaren. Die Mehrzahl hat Auflagen zwischen 1800 und 5000. Zeitungen mit einer Auflagenhöhe von mehr als 15.000 gehören bereits zu den größeren und angesehenen Publikationsorganen. Die auflagenstärkste Tageszeitung, der Zürcher „Tagesanzeiger“, ist mit seinen 170.000 Exemplaren ein Riese im eidgenössischen Blätterwald.

Jede größere Ortschaft — das sind bei uns Gemeinden mit 2000 und mehr Einwohnern —hat ihre Tageszeitung oder mindestens ein Blatt, das zwei- bis viermal wöchentlich erscheint. Dazu kommen die städtischen Zeitungen, die von Zürich, Bern, Luzern und Basel in den aargauischen Raum vorstoßen. Also ein sehr engmaschiges Netz von Kommunikationsmitteln auf kleinem Raum. In andern Kantonen, vor allem in der Ostschweiz, ist die Zeitungsdichte noch stärker ausgeprägt.

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