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Kinderkreuzzug ?

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Am 1. März 1961 ist durch Executive Order des Präsidenten der Vereinigten Staaten das Peace Corps begründet worden. Der Kongreß hat am 22. September des gleichen Jahres mit dem „Peace Corps Act“

ihm den offiziellen Charakter als staatliche Organisation bestätigt und seine Ziele dahingehend erläutert, daß man in ihm, um den Frieden in der Welt und der Freundschaft unter den Völkern zu dienen, interessierten Nationen amerikanische Freiwillige zur Verfügung stellt, die der Bevölkerung dieser Länder helfen sollen, geschulte Arbeitskräfte zu entwickeln und die dazu beitragen sollen, den betreffenden Nationen ein besseres Verständnis des amerikanischen Volkes und dem amerikanischen Volk ein besseres Verständnis für andere Länder zu ermöglichen.

Der Gedanke eines aktiven sozialen Hilfsdienstes für die sogenannten unterentwickelten Völker ist nicht ganz neu: amerikanische Quäker, britische Pazifisten und deutsche christliche Gruppen haben bereits vorher auf eigene Faust in beschränktem Rahmen Arbeitsgruppen ausgeschickt, die in der gleichen Richtung zu wirken versuchten. Neu war, daß der junge Präsident des mächtigsten Staates der westlichen Welt die Idee außenseiterischer Idealisten zu einer Angelegenheit der Nation machte und sie dazu benutzte, an die Jugend seines Landes die Herausforderung zu richten, in dieser Arbeit Mitträger in „neuen Grenzen" zu werden.

Kennedy — damals noch Senator — hat schon während der Wahlkampagne 1960 den Gedanken eines solchen Korps in die Debatte geworfen: am 2. November erläuterte er öffentlich Einzelheiten dės Projekts. Kurz darauf bildeten sich informierende Studiengruppen von Experten, um die Details des Programms zu studieren; sie standen nach der Amtseinführung Kennedys unter dem Vorsitz von R. Sargent Shriver, Präsident des Chicago Board of Education und Schwager des Präsidenten, den dieser mit der Verwirklichung des Plans beauftragt hatte.

Kein Ersatz für den Armeedienst

Zuerst war das Projekt deutlich vor allem auf junge Menschen ausgerichtet. Aber die Vorschläge, jungen

Wehrdienstpflichtigen die Gelegenheit zu geben, anstatt in der Armee hier der Dienstpflicht zu genügen, wurde nach eingehenden Beratungen verworfen: das „Friedenskorps“ soll keinen Ersatz für den Armeedienst darstellen, sondern eine zusätzliche freiwillige Dienstleistung derer ermöglichen, die bereit sind, zwei Jahre ihres Lebens dem Einsatz für eine bessere Welt zur Verfügung zu stellen.

Obwohl tausende von Meldungen bereits kurz nach Kennedys Ankündigung eingelaufen waren, wollte man ursprünglich nur 300 bis 500 Leute aussenden, erhöhte dann aber die Zahl für das erste Jahr auf 500 bis 1000. Inzwischen sind fast 3 500 Friedenskorpsleute auf auswärtigen Posten oder in Ausbildungslagern in den USA«.Es werden bald 5000 sein.

An den Universitäten zündete die Idee zuerst. Aber Shriver und sein Stab waren sich von vornherein über eines klar: man mußte einen Kinderkreuzzug von „do gooders" — wie der Amerikaner gutmeinende, aber weltfremde Idealisten nennt — unter allen Umständen verhindern.

Was man brauchte, waren Leute — junge und alte —, die neben ihrer Einsatzbereitschaft auch solide Fähigkeiten mitbrachten, die in Afrika, Asien und Lateinamerika nutzbar gemacht werden konnten: Lehrer, Mediziner, Ingenieure, Sozialarbeiter, aber auch Handwerker aller Art, Agrarfachleute, Jugendführer, Krankenschwestern, Elektriker usw.

So suchte man aus den vielen Bewerbern in strengster Auslese die ersten paar Hundert heraus — wenn man die Fragebogen liest, ist man überzeugt, daß kein „Angeber" die darin verlangten Auskünfte umgehen oder die bald darauf eingerichteten Ausbildungslager ohne nachhaltigste Bewährungsproben verlassen konnte.

Allen Freiwilligen wurde klargemacht, daß sie in den Ländern, in die sie zu bestimmten Aufgaben gehen — man sendet nur genau die erbetene Art von Helfern aus, und sie nur dahin, wo man sie ausdrücklich anfordert —, in keiner Weise eine „Sahib"-Stellung einnehmen. Denn sie leben unter den gleichen Wohn- und Lohn- oder Gehaltsverhältnissen wie ihre einheimischen Kollegen und haben keinerlei Sonderprivilegien außer bestimmten Krankenversicherungsgarantien.

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